1989 – Hacker und Viren-Programmierer Dark Avenger

Zeitweise weltbekannter anonymer Hacker aus Sofia, Bulgarien, der in den späten 1980er-Jahren als Teil der Pravetz Generation (jener Alterskohorte, die mit den bulgarischen Pravetz-Computern aufgewachsen ist) in Erscheinung tritt und bis 1993 unter diesem Namen Computerviren aussendet. Der erste dieser auf maximale Weiterinfizierung angelegten – und damit den panoramatischen Impuls pandemischen ‚Viralgehens‘ in die Datasphäre pflanzenden – Viren findet ab 1989 globale Verbreitung, beschädigt zahlreiche Computersysteme und macht den Dark Avenger weltweit berüchtigt, während dieser umgekehrt Aspekte seines limitierten Lebensvollzugs (etwa „Zopy (sic) me – I want to travel“ als Hinweis auf die im Ostblock beschränkte Reisefreiheit) in seine Schadsoftware einarbeitet. Mit dem von ihm entwickelten „Mutation Engine“ können Viren zudem so programmiert werden, dass sie sich selbstständig fortentwickeln und immer neue Erscheinungsformen annehmen. – Hannah Bartölke

Literatur / Quellen:

  • Solomon, Alan: PC Viruses: Detection, Analysis and Cure, London: Springer 1991, S. 100–102

Weblinks:

🖙 Deutschlandfunk Podcast über die Suche nach der Identität des Dark Avengers 
🖙 Artikel – How Eastern Europe’s villains changed sides in the malware war – and made you protect your PC

Schlagwörter: (Aus-)Faltung, faktual, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, offen, Organisation, Rahmenexpansion, schematisch, symbolisch, Technik, Text, textuell, Utopie/Dystopie

1988 – Stephen Hawking, A Brief History of Time

Um Allgemeinverständlichkeit bemühter kosmologischer Bestseller, der verspricht, die Geschichte des Universums seit dem Urknall zu erhellen. Katalysator für die auf dem Buchmarkt seither prosperierende Mode relativ kurzer Überschau- und Zusammenfassungsdarstellungen mit universums-, universal- und global-historiografischem Anspruch. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Hawking, Stephen: Die illustrierte kurze Geschichte der Zeit [1988], Reinbek: Rowohlt 2004

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Buch, Didaktik, faktual, Gesamtdiagramm, Gesamtprojektion, Idealpanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, symbolisch, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Universalchronik, Unterhaltung, Wissenschaft, Zeitensynopse

1987 – Die tödliche Doris, Die Gesamtheit allen Lebens und alles Darüberhinausgehende

1984 begonnenes Minifilm-Projekt, das die titelgebende All-Präsentations-Ankündigung ironisch-melancholisch unterläuft; zugleich Titel eines im selben Jahr erschienenen Künstlerbuches, das die Filmbilder als Gemäldeserie darbietet. – Johannes Ullmaier

Weblinks:

🖙 Beschreibung auf Wolfgang Müllers Website

Schlagwörter: Ästhetik, bildvisuell, Buch, Idealpanoramatik, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Mikropanoramatik, Text, unbegrenzte Allheit, Unterhaltung

1987 – Where’s Wally?

Kinderbuch-Serie des britischen Illustrators Martin Handford. Auf den großformatigen Wimmelbildern der Bände ist, inmitten hunderter Figuren, stets der Weltenbummler Wally (in anderen Ländern heißt er Waldo, Walter, Willy, Valli) abgebildet, zu erkennen an der Pudelmütze, schwarzen Brille und seinem weiß-rot gestreiften Shirt. – Bernd Klöckener

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Didaktik, Draufblick, fiktional, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Großtableau, Medialpanoramatik, mimetisch, schematisch, Überbreite, Unterhaltung, Wimmelbild, Zeichnung, Zugleichspräsentation

1987 – Frank White, The Overview Effect

Erstausgabe des Buches, das – komplementär zum Blue-Marble-Foto – in Interviews die astronautische ‚All-Sicht‘ und insbesondere die Blickperspektive zurück auf die Erdkugel exploriert. Programmatisch heißt es im Klappentext (zur 4. Auflage): „More than three decades ago, Frank White coined the term ‚Overview Effect‘ to describe the cognitive shift that results from the experience of viewing the Earth from space and in space, from orbit or on a lunar mission. He found that with great consistency, this experience profoundly affects space travelers’ worldviews, their perceptions of themselves, our planet, and our understanding of the future.“ – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • White, Frank: The Overview Effect. Space Exploration and Human Evolution, Portland: Houghton Mifflin 1987
  • White, Frank: Der Overview-Effekt. Wie die Erfahrung des Weltraums das menschliche Wahrnehmen, Denken und Handeln verändert. Die 1. interdisziplinäre Auswertung von 20 Jahren Weltraumfahrt, München: Goldmann Verlag 1993

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Ästhetik, Buch, Denkmal, Didaktik, Draufblick, faktual, Fernblick, Gesamtprojektion, Inhaltspanoramatik, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Mythos/Religion, Naturpanorama, Panorama-Beschreibung, Panoramaflug, panoramatische Diskursform, Rahmenexpansion, Realpanoramatik, symbolisch, Technik, Text, textuell, Unterhaltung, visuell, Wissenschaft, Zugleichspräsentation

1987 – Kindergedenkstätte in Yad Vashem

In der von Moshe Safdie entworfenen Kindergedenkstätte in Yad Vashem liegt ein begehbarer, komplett verspiegelter Hauptraum, in dem fünf Kerzen vielfach reflektiert werden und so die mindestens 1,5 Mio. jüngsten Opfer der Shoah symbolisieren. Alle bekannten Namen der ermordeten Kinder werden dort von einem Endlostonband vorgetragen. (Ebenfalls in Yad Vashem befindet sich das sogenannte Partisanen-Panorama, das jedoch keine prägnant panoramatische Struktur aufweist). – Rebecca Rasp

Literatur / Quellen:

  • Gutterman, Bella/Shalev, Avner: Zeugnisse des Holocaust, Göttingen: Wallstein 2006, S. 312

Weblinks:

🖙 Wikipedia
🖙 Außenansicht

Schlagwörter: Ästhetik, auditiv, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, Diagramm, Didaktik, faktual, geordnet, Gesamtarchiv, Gesamtdiagramm, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, geschlossen, Halbkugel, Hörwerk, Idealpanoramatik, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, offen, Rundbau, schematisch, Skulptur, Speicher, symbolisch, visuell, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

1986 – David Hockney, Fotocollage The Grand Canyon Looking North II

Im September 1982 besucht der Maler David Hockney das Naturdenkmal des Grand Canyon. Von der dortigen Aussichtsplattform aus nimmt er den Blick nach Norden auf, indem er mit einer Pentax 100 unzählige einzelne Fotografien anfertigt. Hierfür dreht er sich mit der Kamera langsam, um die Aussicht im panoramatischen Format einzufangen. Das Ergebnis ist allerdings keine nahtlose Panoramalandschaftsfotografie, wie sie später mit jedem Smartphone anzufertigen ist. Vielmehr entwickelt Hockney die einzelnen Fotografien (nur Querformate), wählt aus und setzt diese 1986 als rasterförmige Collage zu einem ca. 110 × 322 cm großen Bild zusammen. Dieses zeigt also einerseits den großartigen Ausblick in überbreitem Format, deutlich aber auch den jeweils einzelnen (Kamera-)Blick mit je eigener Zeitlichkeit (an den Lichtverhältnissen erkennbar). Hockneys Fotocollage thematisiert einen Allerfassungsanspruch, der mit der Verwendung des vermeintlich hierfür besonders geeigneten Mediums der ‚objektiven‘ Fotografie unterstrichen wird. Durch deren unkonventionellen Gebrauch wird allerdings die Begrenztheit (oder Kontingenz) jeder medialen Allerfassung und Gesamtrepräsentation zugleich aufgelöst und ausgestellt. Das Werk gehört zur Gruppe der sogenannten ‚joiner‘. Zu Beginn der 1980er experimentiert Hockney mit dem Zusammenfügen mehrerer Fotografien zu einem Bild, wodurch er ein Bild aus verschiedenen Blickeinstellungen komponieren kann, welches den Wahrnehmungs- und Erfahrungsprozess des Gegenstands in der Zeit nachvollziehbar bleiben lässt. Zu Beginn nutzt er hierfür auch die Polaroid-Technik. Teilweise haben diese ‚joiner‘ gebogene Formate oder fransen an den Rändern aus; sie suggerieren somit, dass das mit dem Auge erforschte Motiv hier genau die Ausdehnung erhält, die es braucht, um ‚richtig‘ im Sinne von ‚authentisch‘ oder ‚überzeugend‘ zu sein. – Clara Wörsdörfer

Literatur / Quellen:

  • Hockney, David: Photographe, Paris: Centre Georges Pompidou 1982

Weblinks:

🖙 Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bild, bildvisuell, Denkmal, Draufblick, faktual, Fernblick, Foto, geordnet, Gesamtdiagramm, Gesamtprojektion, Großtableau, Medialpanoramatik, mimetisch, Naturpanorama, offen, Panoramabild, Rahmenexpansion, schematisch, Überbreite, visuell, Zugleichspräsentation

1985 – Katalog-Anthologie Alles und noch viel mehr

Tausendseitige Ausstellungs- und (Kunst-)Epochendokumentation mit sehr weitgespanntem Spektrum, das von „Bild + Text“ über „Song/Audio“ oder „Szene/Drama“ bis zu „Zeichen“ oder „Philosophie“ reicht. Alle Sektionen sind einem Buchstaben des Alphabets zugeordnet, wenngleich außer bei „V“ für „Video“ keine Übereinstimmung mit den Rubrikennamen herrscht. Auch läuft das Alphabet nicht wie gewohnt von A bis Z durchs Buch, sondern – quasi als Rundkette – von X bis Z und dann von A bis W. In der Präambel reflektiert der Herausgeber die Dialektik allumgreifender Bestrebungen: „Der Sinn von ALLES UND NOCH VIEL MEHR liegt darin, einmal das kreative Potential vereint zu zeigen […]. Es scheint mehr zu sein, als es tatsächlich ist, und ist plötzlich tatsächlich mehr. […] Bei ALLES UND NOCH VIEL MEHR handelt es sich um das VIEL MEHR, ein überschwängliches, systemsprengendes, luxuriöses Moment, wie in der anderen Richtung um das ETWAS, das WENIG oder gar das NICHTS, welches die zwanghaften Grenzen des ALLES überschreitet. Denn ALLES ist der Totalitarismus der Macht, der die zentralistische Lenkung perfektioniert und Einverleibungen durch klare Grenzziehung markiert. ALLES ist der Wahn der absoluten Kontrolle, des Gleichschritts und der Nivellierung des Heterogenen […], der Anspruch des reinen Wissens, das […] weder eine sinnvolle Selbstbeschreibung kennt noch den Flug der Gedanken, welche das VIEL MEHR charakterisieren.“ (Lischka (Hg.), Alles und noch viel mehr, S. 7). – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Lischka, Gerhard Johann (Hg.): Alles und noch viel mehr. Das poetische ABC, Bern: Bentelli 1985

Weblinks:

🖙 G J Lischka ZKM

Schlagwörter: Animation, Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Denkmal, Event/Performance, Film, Foto, Gemälde, geordnet, Gesamtarchiv, Gesamtdiagramm, Gesamtkompendium, geschlossen, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, offen, panoramatische Diskursform, Rahmenexpansion, Relief, schematisch, Schraubenband, Skulptur, Speicher, symbolisch, Text, textuell, Unterhaltung, Wimmelbild, Zeichnung, Zugriffspräsentation

1984 – 360°-Filmsystem Swissorama

Zylindrisches 360°-Filmaufnahme- und -Projektionsverfahren, entwickelt von Ernst A. Heiniger und 1984 uraufgeführt im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern. Es ermöglicht erstmals eine nahtlose Projektion auf eine zylindrische Leinwand und verwendet dafür eine spezielle Fischaugen-Linse an einer 65 mm Kamera, die bei der Aufnahme von einem Plexiglaszylinder umfasst und nach unten gerichtet wird. Durch den Einsatz von nur einer Kamera und einem Filmnegativ können die Aufnahmen direkt auf 70 mm umkopiert werden. Ein runder Frame mit schwarzem Zentrum wird anschließend bei der Vorführung von der Deckenmitte des kreisrunden Kinos durch einen Projektor mit einer identischen Fischaugen-Linse verzerrungsfrei und nahtlos auf die zylindrische Leinwand (60 × 5 m) projiziert. Der erste Film im Swissorama-Verfahren, Impressionen der Schweiz (CH 1984, R: E. A. Heiniger), zeigt bei einer Spiellänge von 20 min eine touristische Reise durch die Schweiz und wird von Musik über 6-Kanal-Stereoton begleitet. – Kaim Bozkurt

Literatur / Quellen:

  • Piccolin, Lucas: „Rundumkinos. Vom Panorama zu 360°-Filmsystemen.“. In: Medienwissenschaft / Hamburg: Berichte und Papiere 78 (2007)
  • Kiessling, Maren: „Domografie. Visuelle Narration im Fulldome“. In: CINEMA 63 (2018), S. 98–112, S. 98–112

Weblinks:

🖙 Rundumkinos. Vom Panorama zu 360°-Filmsystemen.

Schlagwörter: 360°, audiovisuell, Bauwerk, bildvisuell, faktual, fiktional, Film, Gesamtprojektion, geschlossen, Halbkugel, Immersion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, Naturpanorama, Rahmenexpansion, Rundband, Rundbau, Technik, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1983 – Terry Pratchett, Discworld (Scheibenwelt)

Im ersten der sogenannten „Scheibenwelt-Romane“ The Colour of Magic (Die Farben der Magie) wird eine fiktive Gesamtszenerie eingeführt, die auch in den dutzenden Folgewerken dieser Buchserie als Schauplatz dient. Pratchetts Welt ist flach und scheibenförmig, hat einen Durchmesser von ca 16.000 km und liegt auf dem Rücken von vier Elefanten. Diese stehen ihrerseits auf dem Rücken einer Schildkröte, die langsam durch den interstellaren Ozean schwimmt, „Wasserstoffeis klebt an ihren dicken Beinen, und Meteore haben zahllose Krater im riesigen alten Panzer hinterlassen. Aus tränenden Augen groß wie Meere, von Asteroidenstaub verklebt, blickt die Schildkröte einzig und allein zum Ziel.“ (Prolog). Stellvertretend für unzählige Fantasy- und Popkultur-‚Gesamtwelt‘-Fiktionen (phänotypisch etwa Tolkiens Silmarillion-Erzählwelt und -Karte) kombiniert Pratchetts Diegese-Rahmen Archetypen aus heterogenen Seinssphären und Traditionen, hier konkret Elemente der indischen Mythologie mit einem Pandämonium aus Hexen, Magiern, Trollen, Zwergen, Menschen, Tieren sowie einer Zahnfee. Ferner begegnen noch der Weihnachtsmann, verschiedene Götter und der Tod – im Ganzen ein synkretistisches Großtableau von Mythologemen und Realien. – Naemi Dittes

Literatur / Quellen:

  • Pratchett, Terry: Die Farben der Magie: Ein Roman von der bizarren Scheibenwelt [1983], München: Piper 2004

Weblinks:

🖙 Wikipedia
🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Buch, fiktional, Gesamtprojektion, geschlossen, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Mythos/Religion, Organisation, symbolisch, Text, textuell, Unterhaltung