2002–2008 – David Simon, The Wire


Auf dokumentarischen Sozialreportagen fußende TV-Serie, die – ausgehend vom Milieu der Drogenhändler- und Drogenermittler in Baltimore – die Totalität der Sozialstruktur einer US-Großstadt um 2000 TV-dramatisch zu entrollen versucht, stellvertretend für die Problemlage der urbanen USA insgesamt. Dies vollzieht sich über fünf, jeweils eine gesamte Lebenssphäre ausleuchtende Staffeln, konkret: Drogenökonomie, traditionelle Ökonomie (anhand der Hafenarbeiter und ihrer Gewerkschaft), Politik, Schulwesen und Journalismus/Medien. Nach Themenbreite und gesellschaftlichem Repräsentationsanspruch konsequenter in gesellschaftspanoramatischer Balzac/Zola-Tradition als das Gros vergleichbar umfänglicher, aufwendig produzierter und oft ebenfalls erzählstrangreicher neuerer TV-Serien. – Johannes Ullmaier

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Ästhetik, audiovisuell, bildvisuell, Didaktik, faktual, fiktional, Film, geordnet, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Großtableau, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, offen, Organisation, panoramatische Erzählung, Überwachung, Universalchronik, Unterhaltung

2002 – Digitale Überwachungsbildschirme in Minority Report

Große und/oder multiple digitale und virtuelle Interfaces sowie Bildschirme werden vermehrt seit den 1990er-Jahren in Filmen als Dispositive der Macht und Kontrolle eingesetzt. Der Science-Fiction-Thriller Minority Report (USA 2002) imaginiert auf Basis der gleichnamigen Kurzgeschichte von Philip K. Dick eine ‚Precrime‘-Abteilung der Polizei im Jahr 2054, die eine Prävention von Verbrechen durch umfassende Überwachung mit kleinen Insektenrobotern erzielt. Regisseur Steven Spielberg konzipiert dafür in Zusammenarbeit mit Experten für Human-Computer-Interaction ein virtuelles Interface, das auf großen holografischen Displays Informationen abbildet, Echtzeit-Überwachungsaufnahmen bereitstellt und Visionen von zukünftigen Verbrechen visualisiert. Es wird zum Ausdruck einer technisierten und deterministischen Überwachungsgesellschaft. Der Techno-Thriller The Circle (USA 2017, R: J. Ponsoldt), eine filmische Adaption des gleichnamigen Romans von Dave Eggers (EA 2014), thematisiert eher thesenhaft die Gefahren des Überwachungskapitalismus. Das Social-Media-Unternehmen The Circle sieht im neuen Projekt „SeeChange“ die Chance, alles zu wissen und alles zu sehen. Weltweit installierte Miniaturkameras mit GPS-System übermitteln in Echtzeit Daten, deren Vernetzung und Analyse zu mehr Transparenz und Sicherheit führen soll. Die ‚SoulSearcher‘-App, welche Personen ohne Social-Media-Account innerhalb von 20 min finden kann, wird zum interaktiven Kontrollinstrument. Die letzte Einstellung zeigt ihre panoramatische Überwachung im Splitscreen mit mehr als hundert Bildfeldern von Aufnahmen der Drohnen- und Miniaturkameras nebeneinander montiert. – Kaim Bozkurt

Literatur / Quellen:

  • Stewart, Garrett: „Surveillance Cinema“. In: Film Quarterly 66 (2012), H. 2, S. 5–15, S. 5–15>
  • Koutsourakis, Angelos: „Cinema and Surveillance Capitalism: Consumer Behaviorism and Labor Alienation in Paranoia 1.0 (2004) and The Circle (2017)“. In: Quarterly Review of Film and Video 40 (2022), H. 6, S. 764–787, S. 764–787

Weblinks:

🖙 Taylor & Francis Online: Cinema and Surveillance Capitalism: Consumer Behaviorism and Labor Alienation in Paranoia 1.0 (2004) and The Circle (2017) (Angelos Koutsourakis) 

Schlagwörter: audiovisuell, bildvisuell, fiktional, Film, Gesamtprojektion, Inhaltspanoramatik, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, Organisation, Technik, Überwachung, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

2001 – Alexander McQueen, Modekollektionspräsentation Voss

Modenschauen sind im Regelfall in dem Sinn panoramatisch, dass sie die gesamte Kollektion eines Designers bzw. einer Designerin für eine bestimmte Saison präsentieren, also ganz wörtlich „alles“ zum „Sehen“ preisgeben. 2001 weist die Herbst/Winter-Modenschau Voss des britischen Designers Alexander McQueen jedoch noch weitere panoramatische Aspekte auf. Die Kleider selbst sind von der Natur, vor allem von der Tierwelt, inspiriert, bestehen aus Materialien wie Federn, Muscheln oder Tintenfischhaut, und manche Models tragen Greifvögel als Kragenkonstruktionen. Panoramatisch markant ist jedoch die Raumaufteilung: Im ersten Raum befindet sich das Publikum. Von dort aus sieht es in einen zweiten eine verspiegelte Glasbox mit dem Catwalk, auf dem die Models einen U-förmigen Bogen laufen, sodass man sie von allen Seiten sehen kann. Der Catwalk aber führt um einen dritten Raum, eine Eisenkonstruktion, deren Wände milchig-schmutzig, also blickdicht sind. Durch das Raum-im-Raum-im-Raum-Konstrukt wirkt der Blickradius unendlich, ähnlich wie in einem Spiegel, der selbst einen Spiegel reflektiert. Angesichts der verschachtelten Realitäten werden die Zusehenden dazu eingeladen, über Begrenzungen und Übergänge zwischen Räumen nachzudenken. Zudem wird man, bevor die Show überhaupt losgeht, nahezu gezwungen, sich selbst und die Anderen in den verspiegelten Glaswänden zu registrieren: „Das selbstwahrnehmende Subjekt ist gleichzeitig beobachtetes Objekt“ (Silbermann, „Zur Räumlichkeit der Modenschau“, S. 76). Schließlich bildet der Raum im Raum im Raum auch ein Zeitpanorama. Denn nachdem die Zuschauenden im ersten Raum ihre eigene Gegenwart und im zweiten die Mode der Zukunft gesehen haben, öffnet sich der dritte zum Finale: In dem Eisenschrein erscheint, während Motten aus der Box flatttern, eine üppige nackte Frau auf einem Canapé. Sie trägt eine Atemmaske, wird nur mit Schläuchen ‚am Leben gehalten‘ und verweist damit spektakulär auf die Vergänglichkeit sämtlicher Schönheitsideale. – Nele Schön

Literatur / Quellen:

  • Silbermann, Charlotte: „Zur Räumlichkeit der Modenschau Voss von Alexander McQueen“. In: Räume der Mode, hg. von Gertrud Lehnert, Paderborn: Wilhelm Fink 2012, S. 75–83, S. 75–83

Weblinks:

🖙 YouTube
🖙 GATA Magazin

Schlagwörter: (Aus-)Faltung, Ästhetik, Denkmal, Didaktik, Event/Performance, faktual, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Halbrundband, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Rahmenexpansion, Realpanoramatik, Rundbau, symbolisch, Technik, Unterhaltung, visuell, Zeitensynopse

2001 – Wikipedia


Von Jimmy Wales and Larry Sanger am 15. Januar 2001 gegründetes Projekt einer gemeinnützigen kooperativen Online-Enzyklopädie mit dem Anspruch, das Weltwissen nach Stichworten zu erfassen und – anders als es die (seither fast vollständig verschwundenen) traditionellen Print-Enzyklopädien konnten – laufend aktuell zu halten. Ein weiterer Anspruch zielt von Anfang an darauf, das Weltwissen in allen Sprachen verfügbar zu machen. Als erste nicht-anglophone Version startet die deutschsprachige Wikipedia bereits im März desselben Jahres. Indes bleiben Sprach-, Kultur- und Kommunikationsbarrieren – selbst nach dem Durchbruch automatisierter Übersetzungs-Software – vielfach weiterhin wirksam. – Johannes Ullmaier

Weblinks:

🖙 Wikipedia
🖙 Wikipedia (D)

Schlagwörter: (Aus-)Faltung, Bild, bildvisuell, Diagramm, Didaktik, Enzyklopädie, faktual, fiktional, Gesamtarchiv, Gesamtdiagramm, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Karte, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, offen, Organisation, schematisch, Speicher, symbolisch, Tabelle, Technik, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Universalchronik, Unterhaltung, Wissenschaft, Zugriffspräsentation

2001 – Katharina Gaenssler, Genua-Foto-Panorama

Katharina Gaenssler dokumentiert in 4200 selbst aufgenommenen Fotos von 15. Januar bis 20. Mai 2001 ihren Aufenthalt in Genua, dessen Stadtbild im Vorfeld des G8-Gipfels von zahlreichen Baustellen geprägt ist. Der Prozess ist als Serie sämtlicher Abbildungen in einem 710-seitigen Buchobjekt repräsentiert. Parallel konstelliert sie Teile des Fotobestands noch in Genua zu wachsenden Fotopanorama-Collagen, die als abfotografierte Teilpanoramen wieder in die panoramatische Gesamtdokumentation einfließen. – Johannes Ullmaier | Nina Cullmann

Literatur / Quellen:

  • Gaenssler, Katharina: Genua, 15. Januar – 20. Mai 2001, Buchprojekt 2001

Weblinks:

🖙 Gaenssler Website 0109 (GE) Buchobjekt
🖙 Website Gaenssler 01-03 (PANO)

Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Denkmal, faktual, Foto, geordnet, Gesamtarchiv, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Großtableau, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, offen, Panoramabild, Rahmenexpansion, Realpanoramatik, schematisch, Speicher, Überbreite, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

2000 – Graz-Miniaturen


Tastmodelle Grazer Sehenswürdigkeiten: des Uhrturms, der Oper, der Murinsel, des Kunst- und des Rathauses; seit 2000 im Rahmen des Projekts „Kultur begreifen“ des Behindertenpädagogen Kurt Hohensinner angefertigt. Die inklusiven Miniaturen machen das Stadtpanorama barrierefrei erfahrbar, indem Sehbehinderte den visuellen Charakter von Graz ertasten können. – Theresa Jahnen

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Ästhetik, Denkmal, Didaktik, faktual, Gesamtprojektion, haptisch, Medialpanoramatik, Mikropanoramatik, mimetisch, schematisch, Skulptur, Technik, Unterhaltung, Zugriffspräsentation

1998 – Rotations-Großglobus Eartha


Der weltweit größte drehbare Globus hat einen Maßstab von 1:1.000.000, einen Durchmesser von 12,52 m, wiegt 2540 kg und wird in einem Ausstellungsgebäude des Verlags DeLorme in Maine (nachts mit Beleuchtung) präsentiert. Seine Datengrundlage sind aus verschiedenen Quellen zusammengeführte Satellitenaufnahmen, die unter Zuhilfenahme kartografischer Farb- und Reliefmuster vereinheitlicht wurden. Von zwei Motoren angetrieben, dreht sich der Globus im Normalfall alle 18 min einmal um die eigene Achse, kann aber bis zur Frequenz von einer Umdrehung pro Minute rotationsbeschleunigt werden. – Naemi Dittes

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Bild, bildvisuell, Didaktik, Draufblick, faktual, Foto, Gesamtprojektion, Globus, haptisch, Karte, Kugel, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Relief, schematisch, Skulptur, symbolisch, Unterhaltung, Weltkarte, Zugleichspräsentation

1998 – Seyfried, Bullen, Bonzen und Berliner – Wimmelbilder

Buchkompendium des Plakat- und Comic-Zeichners Gerhard Seyfried, stellvertretend für dessen im linksalternativen Milieu seit den 1970er-Jahren populäre, die BRD-Gesellschaft insgesamt ebenso wie die eigene Szene karikierende Wimmelbilder. Auch in Einzelpublikationen als Poster oder in Zeitungen präsent. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Seyfried, Gerhard: Bullen, Bonzen und Berliner – Wimmelbilder, Hamburg: Rotbuch Verlag 1998

Weblinks:

🖙 Website

Schlagwörter: Bild, bildvisuell, Buch, Didaktik, Draufblick, faktual, fiktional, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Großtableau, Medialpanoramatik, schematisch, symbolisch, textuell, Unterhaltung, Wimmelbild, Zeichnung, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

1998 – Peter Weir (Regie), The Truman Show

Truman Burbank (Jim Carrey) weiß nicht, dass er die Hauptfigur in einer TV-Reality-Show ist und die Stadt, in der er seit seiner Geburt lebt, nur eine Kulisse unter einer riesigen Kuppel mit künstlichem Klima, bevölkert von Schauspielern und Statisten. Der Film kombiniert Motive des theatrum mundi mit Elementen klassischer All-Überwachungs-Dystopien. Bemerkenswerterweise weckt ein defekter Scheinwerfer, der von der Kuppel stürzt, bei Truman erste Zweifel an der Realität seiner Wirklichkeit. Das Panorama verrät sich als Medium. – Bernd Klöckener

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, audiovisuell, Bauwerk, bildvisuell, Didaktik, fiktional, Film, Gesamtprojektion, geschlossen, Immersion, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Organisation, Panorama-Diskurs, Rahmenexpansion, Realpanoramatik, symbolisch, Technik, Überwachung, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, visuell, Zugleichspräsentation

1997 – Hans Ulrich Gumbrecht, 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit

Im englischen Original unter dem Titel In 1926. Living at the Edge of Time erschienen, unternimmt das breite Materialkompendium eine dezidiert anti-chronikalische, stattdessen über „Dispositive“ bzw. „Codes“ strukturierte Gesamtregistratur des (absichtsvoll nicht prominent gewählten) Jahres 1926. Laut Klappentext entwirft es so „ein Panorama von synchronen Alltagsphänomenen der Zwischenkriegszeit wie Jazz, Boxen, Eisenbahnen, Mumien oder Stierkampf und läßt den Leser anhand von Querverweisen die ‚Gemeinsamkeiten der Gleichzeitigkeit‘ des Jahres 1926 erkunden.“ Ein Proto-Hypertext im Buchformat, zudem als frühes ‚Jahresbuch‘ im deutschsprachigen Raum mittelbar genrebildend. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Gumbrecht, Hans Ulrich: 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit [1997], Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001
Schlagwörter: Buch, Denkmal, Didaktik, Ekphrasis, faktual, Gesamtdiagramm, Gesamtprojektion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, offen, Organisation, Panorama-Diskurs, panoramatische Diskursform, panoramatische Erzählung, schematisch, symbolisch, Technik, Text, textuell, Unterhaltung, Wimmelbild, Wissenschaft, Zugriffspräsentation