1870 – Kaiser-Panorama


Das Kaiser-Panorama, ein Vorführgerät für stereoskopische Diapositive, wird von August Fuhrmann in den 1870er-Jahren populär gemacht. Es ist ein robuster Rundbau aus Holz, konzipiert für jeweils 25 Besucher, die auf Stühlen platziert einen Zyklus von 50 Stereo-Aufnahmen durch Stereo-Okulare betrachten können. Den Betrachtern der fotografischen Bilder bietet sich ein dreidimensionaler, vollplastischer Anblick einer Landschaft, Großstadtszene oder von touristischen Sehenswürdigkeiten. Nach etwa zwanzig Sekunden ertönt ein Glockenzeichen, und mittels eines von einem verborgenen Uhrwerk angetriebenen Drehmechanismus erscheint das nächste Motiv vor den Augen, ohne dass die Besucher ihre Stühle verlassen müssen. Fuhrmann betreibt das Kaiser-Panorama zunächst in Breslau, später kommen Standorte in Frankfurt am Main und Berlin hinzu, schließlich unzählige Filialen, auch von Nachahmern. Anfang der 1930er-Jahre werden die meisten Aktivitäten eingestellt. Das Programm des Kaiser-Panoramas wird als eine Art Weltreise für kleines Geld beworben (siehe Slogans wie: „Die Welt mit der Welt bekannt zu machen“ oder „Hier erhalten wir die beste Übersicht über die interessanten Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten der Erde“). – Clara Wörsdörfer

Literatur / Quellen:

  • Berliner Festspiele (Hg.): Berlin um 1900. Das Kaiserpanorama. Bilder aus dem Berlin der Jahrhundertwende (Ausst-Kat.), Berlin: Berliner Festspiele 1984
  • Lorenz, Dieter (Hg.): Das Kaiser-Panorama. Ein Unternehmen des August Fuhrmann, o. O.: o. V. 2010

Weblinks:

🖙 Abbildung eines Kaiser-Panoramas im zugehörigen Wikipedia-Artikel

Schlagwörter: Ästhetik, auditiv, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Didaktik, faktual, fiktional, Foto, geschlossen, Immersion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Moving Panorama, Rundband, Rundbau, schematisch, Text, Unterhaltung

1851 – Wyld’s Great Globe


Mehrstöckig von innen begehbarer Globus von fast 19 m Durchmesser, auf dessen Innenwand die Erdoberfläche zu besichtigen ist. Sein Erfinder und Betreiber, der englische Kartograf James Wyld, lässt dieses Kugelpanorama bzw. Georama am Londoner Leicester Square errichten, nachdem es sich für den Crystal Palace, in dem es ursprünglich im Rahmen der ersten Weltausstellung hätte stehen sollen, als zu voluminös erwiesen hat. Anfangs ein großer Publikumserfolg, wird der Globus 1862 infolge abebbenden Interesses geschlossen. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Oettermann, Stephan: Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt am Main: Syndikat 1980, S. 72 f.

Weblinks:

🖙 Wikipedia
🖙 Wikpedia Georama

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, Diagramm, Didaktik, Event/Performance, faktual, Gesamtprojektion, geschlossen, Globus, Karte, Kugel, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Rundbau, schematisch, Skulptur, Technik, Text, Unterhaltung, Weltkarte, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1845–1862 – Alexander von Humboldt, Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung


Schon seit 1796 als „l’Idee d’une physique du monde“ konzipiert, kann Humboldts Traum, „die ganze materielle Welt, alles was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen, wissen, alles in Einem Werke darzustellen“, sich erst Jahrzehnte später in fünf monumentalen Bänden realisieren, deren letzter unvollendet bleibt. Die Programmatik ist gegenüber Gesamt-Welt-Buch-Vorläufern wie Schedels Weltchronik oder Sebastian Münsters Cosmographia charakteristisch alteriert: „Jede große und wichtige Idee, die irgendwo aufgeglimmt, muß neben den Thatsachen hier verzeichnet sein. Es muß eine Epoche der geistigen Entwickelung der Menschheit (in ihrem Wissen von der Natur) darstellen. – Das Ganze ist nicht was man gemeinhin physikalische Erdbeschreibung nennt, es begreift Himmel und Erde, alles Geschaffene.“ – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung [1845–1862], Frankfurt am Main: Eichborn 2004

Weblinks:

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Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Didaktik, faktual, geordnet, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, geschlossen, Idealpanoramatik, Karte, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Organisation, panoramatische Diskursform, schematisch, Speicher, symbolisch, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Unterhaltung, Weltatlas, Wissenschaft, Zugriffspräsentation

1838 – Ludwig Bechstein, Wanderungen durch Thüringen

Der Abschnitt „Felsenthal und Inselberg“ (Bechstein, Wanderungen durch Thüringen, S. 258–267) enthält eine idealtypisch geordnete, alle vier Himmelsrichtungen ab Norden im Uhrzeigersinn durchlaufende Gipfelpanorama-Rundum-Beschreibung: „Den Berggipfel umwandelnd, deutete Otto die Hauptpunkte des herrlichen Inselberg-Panorama’s an, und mit bewaffnetem Auge folgte seinen Fingerzeigen die begleitende Gesellschaft. ‚Mit dem Norden beginnend,‘ sprach der Geleiter: ‚sehen wir die Kette des Harzgebirges […]‘.“ (Bechstein, Wanderungen durch Thüringen, S. 261). – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Bechstein, Ludwig: Wanderungen durch Thüringen, Leipzig: Wigand 1838

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🖙 Digitalisat

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Denkmal, Didaktik, faktual, Fernblick, geordnet, Gesamtprojektion, geschlossen, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Naturpanorama, Panorama-Beschreibung, Realpanoramatik, symbolisch, Text, textuell, Unterhaltung, visuell, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1831 – Jean-Charles Langlois, Seeschlacht von Navarino

In einer eigens neu eröffneten Rotunde (15 m Höhe, 38 m Durchmesser) in der Rue des Marais-du-Temple 14 in Paris präsentiert der ehemalige Offizier und erfolgreiche französische Marinemaler Jean-Charles Langlois dieses (nicht erhaltene) Rundbild. Um den Illusionseffekt zu steigern, lässt sich Langlois eine Neuerung einfallen: Er ersetzt die traditionelle Plattform durch das Achterdeck der Fregatte Scipio, die selbst an dem gezeigten Gefecht teilgenommen hat. Germain Bapst schreibt dazu: „Während der Betrachter früher das Schauspiel isoliert und entfernt aus der Vogelschau sah, versetzte ihn Langlois direkt ins Zentrum des Geschehens.“ (zit. n. Comment, Das Panorama, S. 47). Auch überbrückt Langlois den Graben zwischen Plattform und Bild mit Gegenständen und perfektioniert damit das sogenannte Faux Terrain. Gaslicht und Ventilation werden eingesetzt, um Feuer und Seewind vorzutäuschen. Vor Ort wird ein Programmheft ausgehändigt, in dem die Vorgeschichte und Folgen des gezeigten Moments der Schlacht erläutert sind, angereichert durch Berichte von Zeitzeugen. – Clara Wörsdörfer

Literatur / Quellen:

  • Comment, Bernard: Das Panorama. Geschichte einer vergessenen Kunst, Berlin: Nicolai 2000
  • Geimer, Peter: Die Farben der Vergangenheit. Wie Geschichte zu Bildern wird, München: C. H. Beck 2022, S. 63–65
Schlagwörter: 360°, Animation, Ästhetik, auditiv, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, Event/Performance, faktual, Gemälde, Gemälderundbau, Gesamtprojektion, geschlossen, haptisch, Immersion, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Panoramabild, Rundband, Rundbau, Text, textuell, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1825 – Sattler-Panorama


Das ca. 125 qm Bildfläche umfassende Rundgemälde zeigt die Stadt Salzburg samt Umgebung. Johann Michael Sattler fertigt es zwischen 1825 und 1829 auf Anregung von Kaiser Franz I. an und stellt es 1829 erstmals temporär aus. Ab 1875 wird es in einem eigens dafür errichteten Pavillon im Kurgarten von Salzburg installiert, nach dessen Abbruch es seit 2003 ein neues Domizil in einem Hof der neuen Residenz gefunden hat. – Bernd Klöckener

Literatur / Quellen:

  • Oettermann, Stephan: Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt am Main: Syndikat 1980, S. 230–234

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Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, faktual, Fernblick, Gemälde, Gemälderundbau, Gesamtprojektion, geschlossen, Immersion, Medialpanoramatik, mimetisch, Panoramabild, Rundband, Rundbau, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1817–1830 – Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften


Die von Hegel als begleitendes Skript zu seinen Vorlesungen herausgegebene, in späteren Zusätzen durch seine Hörer auf das Doppelte ihres ursprünglichen Umfangs erweiterte Zusammenfassung des (subiectivus und obiectivus) Deutschen Idealismus stellt Hegels Überblick über sein philosophisches System dar. Zugleich ist sie ein Panorama der Welt in ihren Abteilungen Logik (Sein – Wesen – Idee), Natur und Geist (subjektiver, objektiver und absoluter Geist). Darin fasst sich der Anspruch der Hegelschen Philosophie zusammen, alle Erscheinungen und das Wesen der Wirklichkeit in ihrem Zusammenhang zu erfassen. Dass das „Wahre […] das Ganze“ sei, wie 1807 in der Phänomenologie des Geistes (Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 24) postuliert, ist nicht als (unabschließbare) quantitative Addition aller Einzelheiten zu verstehen, sondern als (abgeschlossene) begriffliche Bestimmung, also als qualitativer Begriff des Zusammenhangs aller Einzelheiten. Als „Totalität“ lebt diese Vorstellung bis hin zu ihrer Negation in der Kritischen Theorie fort. – Carsten Jakobi

Literatur / Quellen:

  • Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Phänomenologie des Geistes [1807], Frankfurt am Main: Suhrkamp 1986
  • Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften [1801–1830], Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995

Weblinks:

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🖙 Online-Text

Schlagwörter: Buch, Didaktik, Enzyklopädie, faktual, Gesamtdiagramm, Gesamtkompendium, geschlossen, Idealpanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Mythos/Religion, Organisation, schematisch, symbolisch, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Utopie/Dystopie, Wissenschaft, Zugriffspräsentation

1814 – Marquard Wocher, Panorama von Thun


Die Beschreibung der Museums-Homepage sagt prägnant das Wesentliche: „Der Basler Künstler Marquard Wocher erschafft 1814 das erste Panorama der Schweiz. Fasziniert vom Berner Oberland entwirft er ein Rundbild von 38 m Lauflänge der Kleinstadt Thun und […] Umgebung, mit Blick bis in die Alpen des Berner Oberlands. Detailreich wirft dieses Bild einen Blick auf das Thuner Alltagsleben vor 200 Jahren und wird mit den unzähligen Geschichten zu einem Wimmelbild für Gross und Klein. Heute [2023] ist das Panorama das älteste Rundbild der Welt und ist ein Depositum der Gottfried Keller-Stiftung.“ Seit 1961 in einem Rundbau im Schadau-Park in Thun beherbergt. – Johannes Ullmaier

Weblinks:

🖙 Thun-Panorama

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, faktual, Fernblick, Gemälde, Gemälderundbau, Gesamtprojektion, geschlossen, Immersion, Medialpanoramatik, mimetisch, Naturpanorama, Panoramabild, Rundband, Rundbau, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1795 – Xavier de Maistre, Voyage autour de ma chambre


In seinem ursprünglich anonym erschienenen autobiografischen Roman unternimmt der Offizier de Maistre, der nach einem Duell 42 Tage Hausarrest absitzen muss, eine Rundreise durch sein Zimmer und begründet damit unter ironischem Rekurs auf die boomende Reiseliteratur der Zeit sowie in einer Art Umstülpung des panoramatischen Erfahrungsprozesses auf das Nächstliegende das Genre der „Zimmerreise“. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • De Maistre, Xavier: Die Reise um mein Zimmer, Berlin: Aufbau 2011
  • Stiegler, Bernd: Reisender Stillstand. Eine kleine Geschichte der Reisen im und um das Zimmer herum, Frankfurt am Main: S. Fischer 2010

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Buch, Ekphrasis, faktual, Gesamtprojektion, geschlossen, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Mikropanoramatik, mimetisch, panoramatische Erzählung, Realpanoramatik, symbolisch, Text, textuell, Unterhaltung

1794 – Bauprojekt Benthams Panopticum

Das vom britischen Philosophen Jeremy Bentham erdachte Konzept soll zum ersten Mal in Form eines Gefängnisbaus umgesetzt werden. Es kommt zum frühzeitigen Abbruch. Bentham wird für seinen Zeitaufwand bei der Planung entschädigt. – Luca Angelo Bindi

Literatur / Quellen:

  • Bentham, Jeremy: Panoptikum oder Das Kontrollhaus [1787/1791], Berlin: Matthes & Seitz 2013, S. 217
  • Schneider, Manfred: Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche, Berlin: Matthes & Seitz 2013, S. 135–146

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🖙 Kritische Besprechung des Konzepts von Alf Mayer

Schlagwörter: 360°, Allwahrnehmung, Bauwerk, Blicktransparenz, faktual, Gesamtprojektion, geschlossen, Inhaltspanoramatik, Medientechnik, Organisation, Panorama-Beschreibung, Realpanoramatik, Rundband, Rundbau, schematisch, Technik, Überwachung, visuell, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation