1922 – Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit

Das für ein „Marstheater“ geschriebene Stück, dessen ungekürzte Hörspielfassung (ORF 1974) 25 h dauert, erfasst mithilfe von 1114 Rollen in einem bösen Rundumblick den moralischen Bankrott der Wiener Gesellschaft im Besonderen und Europas im Allgemeinen. – Stefan Ripplinger

Literatur / Quellen:

  • Kraus, Karl: Die letzten Tage der Menschheit: Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog [1922], Salzburg: Jung und Jung 2014

Weblinks:

🖙 Wikipedia
🖙 Text

Schlagwörter: Ästhetik, auditiv, bildvisuell, Buch, Denkmal, Didaktik, faktual, fiktional, geordnet, Gesamtkompendium, geschlossen, Großtableau, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Organisation, panoramatische Erzählung, Rahmenexpansion, symbolisch, Text, textuell, Überbreite, Universalchronik, Unterhaltung, Wimmelbild

1913 – Blaise Cendrars, La Prose du Transsibérien et de la Petite Jehanne de France

Avantgardeprogrammatisch unternimmt das von Sonia Delaunay illustrierte Leporello die simultanistische Ausbreitung der Buch-/Textform zur Tableau-Text/Bild-Fläche, die in freien Versen und konstrastiven Farbkonstellationen eine imaginative Bewegung auf der (real erst 1916 fertiggestellten) Reisestrecke präsentiert. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Cendrars, Blaise: La Prose du Transsibérien et de la petite Jehanne de France, Paris: Les Hommes nouveaux 1913

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: (Aus-)Faltung, Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Ekphrasis, fiktional, geordnet, Gesamtprojektion, Großtableau, Laufpräsentation, Leporello, Medialpanoramatik, mimetisch, Moving Panorama, panoramatische Erzählung, Rahmenexpansion, schematisch, symbolisch, Text, textuell, Überbreite, Zeichnung, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

ca. 1890 – Apokalyptische Bibeldiagramme (Nachlass Henry Dunant)

Vier große Kartendiagramme zur biblischen Gesamtweltgeschichte und Apokalypse, aufgefunden im Nachlass des Gründers des Roten Kreuzes. Das erste, La premiére création, ein Diagramm der sieben Weltzeitalter, wurde höchstwahrscheinlich von Dunant selbst erstellt; die drei übrigen zu apokalyptischen Prophezeiungen wahrscheinlich nicht; ästhetische Nähe zur Art Brut. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Halter, Ernst/Müller, Martin: Der Weltuntergang. Mit einem Lesebuch, Zürich: Offizin 1999, S. 44–47

Weblinks:

🖙 Erläuterung 64–83

Schlagwörter: Bild, bildvisuell, Diagramm, Didaktik, Draufblick, geordnet, Gesamtdiagramm, geschlossen, Großtableau, Idealpanoramatik, Medialpanoramatik, Mythos/Religion, schematisch, symbolisch, Text, textuell, Zeichnung, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

1889 – Alfred Stevens/Henri Gervex, Panorama de l’histoire du siècle

Genau 100 Jahre nach der Französischen Revolution präsentieren Alfred Stevens und Henri Gervex als Attraktion ihr heute nicht mehr erhaltenes Panoramarundbild mit dem Titel Panorama de l’histoire du siècle (Geschichte des Jahrhunderts) auf der Weltausstellung. Über eine Länge von 120 m im Rund präsentiert es 640 Persönlichkeiten, welche die Geschichte Frankreichs seit 1789 geprägt haben. Als imaginäre Stadtgesellschaft positionieren sich die Figuren in Pariser Kulisse, locker zu Gruppen gefügt. Ein Begleitheft liegt aus, mit dem die Figuren identifiziert und auch die historischen Entwicklungen in pointierter Form nachgelesen werden können. Das Panorama ist ungewöhnlich, da es kaum Handlung oder Landschaftsausblick zeigt, sondern eine Versammlung von Porträts historischer Persönlichkeiten, die allerdings mit den Mitteln des Panoramas gleichsam in einen Raum beziehungsweise unter einen gemeinsamen Himmel gebracht werden, als hätten sie sich tatsächlich begegnen können. Trotzdem existieren in dieser Illusion eines Raums verschiedene Zeiten, denn die Personen tragen historisches Kostüm und die Figurengruppen sind im Kreis chronologisch angeordnet. Aufgrund der Rundform mussten die Künstler das Problem lösen, dass es eine Stelle im Bild gibt, an welcher Beginn (1789) und Gegenwart (1889) sich treffen – in dieser Zone platzieren sie „als Bindestrich zwischen den Jahrhunderten“ den Dichter Victor Hugo, einsam an den steinernen Sockel einer Allegorie Frankreichs gelehnt. – Clara Wörsdörfer

Literatur / Quellen:

  • Geimer, Peter: Die Farben der Vergangenheit. Wie Geschichte zu Bildern wird, München: C. H. Beck 2022

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, Diagramm, Didaktik, Enzyklopädie, faktual, Gemälde, Gemälderundbau, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, geschlossen, Großtableau, Medialpanoramatik, mimetisch, offen, Panoramabild, Rundband, Rundbau, schematisch, Unterhaltung, Zeitensynopse, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1889 – Charles Castellani, Le Tout-Pari


Heute nicht mehr erhaltenes Panoramarundbild des französischen Künstlers Charles Castellani anlässlich der Exposition Universelle auf der Esplanade des Invalides in Paris. Offenbar zeitgleich erscheint ein Begleitbuch mit einer druckgrafischen Reproduktion des Bildes in Einzelteilen und zugehöriger Legende, anhand derer sich die abgebildeten Persönlichkeiten entschlüsseln lassen. Aussagen des Künstlers dazu finden sich zudem in dessen Buch Confidences d’un Panoramiste. Zentraler Blickpunkt ist der Vorplatz der Pariser Oper, sodass dem Betrachtenden der Eindruck vermittelt wird, selbst von der Mitte des Platzes aus die Umgebung zu betrachten. Von dort aus sind die rundum abführenden Straßen zu sehen, deren Restaurants, Straßenlaternen, Markisen, Schilder und Verkehr detailliert wiedergegeben werden. Zusätzlich vereint und arrangiert Castellani in dieser Stadtlandschaft porträthaft namhafte und um 1889 das Stadtgespräch prägende Gestalten, darunter Literaten, Künstler, Politiker oder andere Personen des öffentlichen Lebens. Die fast 2000 prominenten Vertreter der Pariser Oberschicht scheinen sich wie zufällig im selben Moment an diesem Ort zu befinden, sind in dieser Konstellation jedoch zugleich auch sichtlich arrangiert. Somit handelt es sich bei Castellanis Panoramarundbild um ein Gesellschaftspanorama, das die dort zu sehenden Akteure mittels ihrer Positionierung im Vorder- oder Hintergrund des Rundbilds hierarchisch zueinander in Relation setzt und sich folglich grundlegend von einem Stadtplatz-Wimmelbild unterscheidet, das eine Vielzahl in Aktion begriffener, aber nicht hierarchisch sortierter Personen abbildet. Die zeitgenössische Presse bemerkte an dem Bild „den erstaunlichen Ausdruck von Aktivität und Lebendigkeit“ (Le Rappel, 12. März 1889, Übers. CW). – Clara Wörsdörfer / Lena Reuther

Literatur / Quellen:

  • Castellani, Charles: Confidences d’un Panoramiste. Aventures et Souvenirs, Paris: Dreyfous et D’Alsace Éditeurs 1895.
  • Wörsdörfer, Clara: „Alle im Blick – Die Vielen im Bild. Versuch über das Wimmelbild“. In: Alles im Blick. Perspektiven einer intermedialen Panoramatik, hg. von Roman Mauer, Johannes Ullmaier, und Clara Wörsdörfer, Wiesbaden: Springer 2025, S. 397–432.

Weblinks:

🖙 Begleitbuch zum Panoramabild
🖙 Castellani, Confidences d’un Panoramiste, 1895

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bild, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, faktual, Gemälde, Gemälderundbau, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Großtableau, Medialpanoramatik, mimetisch, Panoramabild, Rundband, Rundbau, schematisch, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1878 – Eadweard Muybridge, 360° San Francisco

Von dem Aussichtspunkt auf einem Dach aus fertigt Muybridge dreizehn fotografische Aufnahmen des Blicks auf San Francisco an. Hierfür dreht er sich mit seiner Kamera im Uhrzeigersinn und macht nach und nach, über einen Zeitraum von rund fünf Stunden die Aufnahmen. Die dreizehn Bilder fügt er dann zu einer Panoramaansicht mit den Maßen 53,3 × 520,1 cm zusammen. Insbesondere aufgrund der sich verändernden Lichtverhältnisse und Montagearbeiten zeigt dieses fotografische Panorama seine Entstehung über einen längeren Zeitraum selbst an. Die zusammengefügten Albumindrucke wurden, als eine Art Rundblickserie, flachliegend präsentiert. – Clara Wörsdörfer

Literatur / Quellen:

  • Vielkind, Andrew: „Ernie Gehr’s Side/Walke/Shuttle. Panorama of an Invisible City“. In: On the viewing platform. The panorama between canvas and screen, hg. von Katie Trumpener und Tim Barringer, New Haven/London: Yale University Press 2020, S. 244–259, S. 246 f.

Weblinks:

🖙 New York Historical Society
🖙 Muybridge, Panorama San Francisco, Collection of the Society of California Pioneers

Schlagwörter: (Aus-)Faltung, 360°, Ästhetik, Bild, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, faktual, Fernblick, Foto, Gesamtprojektion, geschlossen, Großtableau, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Panoramabild, Rahmenexpansion, Technik, Überbreite, Unterhaltung, Wissenschaft, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

1850–1851 – Karl Gutzkow, Die Ritter vom Geiste

Extremausweitung des Gesellschaftsromans qua Strangvielfalt, Themenbreite und Umfang (in der 9-bändigen Erstausgabe 4100 Seiten), doch anders als etwa Balzacs zeitgleich entstehender Comédie Humaine-Zyklus als Einzelwerk angelegt und publiziert. Zukunftsträchtig verkündet das vielzitierte Vorwort: „Der neue Roman ist der Roman des ‚Nebeneinanders‘“ und präludiert damit panoramatisch-modernistische Großerzählformen des 20. Jahrhunderts. Allerdings verfahren diese in der Regel weniger kompilatorisch und additiv als Gutzkows Textmassiv. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Gutzkow, Karl: Die Ritter vom Geiste. Roman in neun Büchern [1850/51], Frankfurt am Main: Zweitausendeins 1998
  • Ricken, Achim: Panorama und Panoramaroman – Parallelen zwischen der Panorama-Malerei und der Literatur im 19. Jahrhundert dargestellt an Eugène Sues Geheimnissen von Paris und Karl Gutzkows Rittern vom Geist, Frankfurt am Main: Lang 1991

Weblinks:

🖙 Romantext Online

Schlagwörter: Ästhetik, Buch, Didaktik, fiktional, Gesamtkompendium, Großtableau, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, offen, Panorama-Diskurs, panoramatische Erzählung, Rahmenexpansion, symbolisch, Text, textuell, Überbreite, Universalchronik, Unterhaltung, Wimmelbild, Zeitensynopse

1846 – John Banvard, Moving Mississippi-Panorama Three-Mile Painting

Prototypisch für die genuin us-amerikanische Panorama-Entwicklung vereinigt John Banvard’s Mammoth Panorama of the Mississippi River Bewegung, Landschaft, Show, Rekordgröße, Self-Made-Erfolg und Vergänglichkeit. Auch wenn sein auf Basis jahrelanger eigener Recherchen vor Ort erstelltes Riesengemälde des (real 3778 km langen) Mississippi-Ufers nicht die mythisch kolportierten „drei Meilen“ (ca. 4,8 km) Leinwandbreite respektive Vorführlänge erreicht, bringt ihm das publikumswirksam moderierte und nach der Bostoner 1846er-Premiere vielerorts wiederholte Abrollen seiner de facto immerhin 369 m breiten bzw. langen und ca. 3,6 m hohen Panoramaleinwand großen Ruhm und Reichtum, bevor Streitigkeiten mit der Konkurrenz losbrechen. Dass Banvards Leinwand – nie dupliziert und durch den Transport (auch nach Europa) zunehmend vernutzt – für alle Zeit verloren scheint, macht sie vollends zum Mythos. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Huhtamo, Erkki: Illusions in Motion. Media Archaeology of the Moving Panorama and Related Spectacles, Cambridge, MA: MIT Press 2013, S. 176–179, 186–191

Weblinks:

🖙 Wikipedia
🖙 Kurzdarstellung

Schlagwörter: (Aus-)Faltung, Ästhetik, auditiv, Bild, bildvisuell, Didaktik, Event/Performance, faktual, fiktional, Gemälde, geordnet, Gesamtprojektion, Großtableau, Immersion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Moving Panorama, Naturpanorama, Panoramabild, Technik, Überbreite, Universalchronik, Unterhaltung

1828 – Tibetisches Lebensrad

Feinziseliertes fernöstliches Gesamtschema der „sechs Daseinswelten aller Geschöpfe“ in Kreisform bzw. Kreissegmenten. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Golowin, Sergius: Die grossen Mythen der Menschheit, Freiburg im Breisgau: Herder 1998, S. 266

Weblinks:

🖙 Erläuterung buddhistische Gesellschaft

Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Denkmal, Diagramm, Didaktik, Gemälde, Gesamtdiagramm, Gesamtprojektion, Großtableau, Idealpanoramatik, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, Rundbild, schematisch, symbolisch, Wimmelbild, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

1825 – Panorama des Rheins und seiner nächsten Umgebungen von Mainz bis Cöln, von F. W. Delkeskamp

Vom deutschen Maler Friedrich Wilhelm Delkeskamp nach der Natur gezeichnetes und gestochenes, als 6-faches Ausklapp-Leporello realisiertes Rheinpanorama des Flussabschnitts von Mainz bis Köln aus einer überschau-schematisierten Vogelperspektive. – Martin Weinmann | Sarah Karsten

Literatur / Quellen:

  • Delkeskamp, F. W.: „Panorama des Rheins und seiner nächsten Umgebungen von Mainz bis Cöln / nach der Natur aufgenommen und gest. von F. W. Delkeskamp“Frankfurt am Main, 1825

Weblinks:

🖙 Digitalisat

Schlagwörter: (Aus-)Faltung, Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Didaktik, Draufblick, faktual, Gesamtprojektion, Großtableau, Karte, Leporello, Medialpanoramatik, mimetisch, Organisation, Panoramabild, schematisch, Unterhaltung, Zeichnung, Zugleichspräsentation