1975 – Dieter Roth, Zeitschrift für Alles / Review for Everything / Tímarit fyrir Allt

Programmatisch heisst es in der ersten Nummer: „Review For Everything accepts and publishes everything that is submitted. Up to 4 pages from each contributor.“ Ohne Ansehen von Inhalt, Form, Sprache, Qualität oder Prominenz publiziert Dieter Roths Printorgan ab 1975 über zehn prallvolle Ausgaben hinweg (so gut wie) alles, was dort eingesandt wird – und liegt damit gemessen am Schnitt dessen, was zeitgleich oder später insgesamt an Zeitschriften erscheint, auf der Qualitätsskala weit oben. Nachdem die Nummer 10 (1987) schon zwei Teilbände braucht, wird selbst Roth – als wohl größter Copia-Künstler der Moderne – der Fülle nicht mehr Herr und muss die Zeitschrift einstellen. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Roth, Dieter (Hg.): Zeitschrift für Alles / Review for Everything / Tímarit fyrir Allt, Basel/Stuttgart: Dieter Roth Verlag/Edition Hansjörg Meyer 1975
Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Denkmal, faktual, fiktional, Gesamtarchiv, Gesamtkompendium, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, offen, panoramatische Diskursform, Rahmenexpansion, schematisch, Skulptur, Speicher, symbolisch, Text, textuell, Überbreite, unbegrenzte Allheit, Unterhaltung, Wimmelbild, Zugleichspräsentation

1974 – Quadrophonie, The Cosmic Jokers

Psychedelic-LP und zugleich (Quadro-)Seriendebüt einer Krautrock-All-Starband. Hier stellvertretend für das – in diesem Fall auch programmatisch als kosmische All-Entgrenzung gespiegelte – Streben nach Klangpanorama-(Wiedergabe-)Erweiterung über das seit Ende der 1960er-Jahre durchgesetzte Stereo-Format hinaus. Anknüpfend an jahrzehntelange Vorerkundungen in der Studiotechnik, in der Neuen Musik, bei Tonband-Veröffentlichungen sowie – auf das Vinylmedium bezogen – in der seit 1971 lancierten Quadrophonic-Serie der Plattenfirma CBS, propagiert der deutsche Underground-Pop-Impresario Rolf-Ulrich Kaiser die Quadrophonie als utopisch aufgeladenen Zukunftsstandard – bis dahin, dass er seinen Labelstar Klaus Schulze dazu drängt, sich in „Klaus Quadro Schulze“ umzubenennen, was dieser allerdings verweigert. Auch insgesamt erweist sich die – im Vinylmedium ohnehin nur in einer Pseudoform (SQ Quadro) realisierbare – Idee, per Mehrkanalaufzeichnung und -wiedergabe, d. h. durch Verteilung von vier Lautsprechern im Raum links und rechts jeweils vorn und hinten, eine allumfassende raum-akustische Repräsentation und damit ein vertieftes Immersionserlebnis zu gewährleisten, als impraktikabel. Denn obwohl Alben wie Pink Floyds – studiotechnisch für die Quadro-Wiedergabe produzierter – Langzeit-Bestseller The Dark Side of the Moon von 1973 prominent dazu einladen, setzen sich die dafür notwendigen Abspielgeräte aus Raum- und Kostengründen nicht breit durch. Nachfolgetechniken wie Dolby-Surround und 5.1. haben mehr Erfolg, vor allem als Teil gehobener Heimkino-Settings. – Johannes Ullmaier

Weblinks:

🖙 Discogs Cosmic Jokers
🖙 Wikipedia

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, auditiv, Gesamtprojektion, geschlossen, Hörwerk, Immersion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, offen, Rahmenexpansion, Technik, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1974 – Jean-Marie Straub / Danièle Huillet, Moses und Aron

Der Panoramaschwenk ist ein in den Filmen von Straub und Huillet häufig angewandtes Stilmittel. Am Ende des ersten Aktes von Moses und Aron nach Arnold Schönberg folgt nach Moses’ Worten „Ich kann denken, aber nicht reden“ ein dreiminütiger Schwenk um fast 360 Grad, der die Natur über dem Amphitheater von Alba Fucense zeigt, in dem die Oper spielt. Darauf folgt eine zweiminütige fixe Einstellung auf Berge der Umgebung. Straub sagte, in Moses und Aron sei der „Schwenk stets mit der Idee des Volkes verbunden“. In diesem Fall könnte man in dem Generalschwenk auch einen Verweis auf die Idee von der Allheit Gottes vermuten. – Stefan Ripplinger

Literatur / Quellen:

  • Bontemps, Jacques/Bonitzer, Pascal/Daney, Serge: „Conversation avec J.M. Straub et D. Huillet (Moïse et Aron)“. In: Cahiers du cinéma 258/259 (1975), S. 6–24, S. 12 f.
Schlagwörter: 360°, Ästhetik, audiovisuell, bildvisuell, Didaktik, Fernblick, fiktional, Film, Gesamtprojektion, Hörwerk, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, Naturpanorama, schematisch, symbolisch, Unterhaltung, Zentralblickpunkt

1972–1989 – Werner Tübke, Bauernkriegspanorama

Die Entstehung des Panoramabildes geht auf den 1972 von der SED-Sekretärin Edith Brandt formulierten Plan zurück, zum 450. Jahrestag des deutschen Bauernkriegs am Schlachtberg in Bad Frankenhausen (Thüringen) ein Panorama nach sowjetischem Vorbild, konkret: des Borodino-Panoramas, einzurichten. Dieses soll unter dem Titel Frühbürgerliche Revolution in Deutschland an das für die DDR-Ideologie wichtige Ereignis erinnern. Der Künstler Werner Tübke wird beauftragt und kann sich einige Freiheiten in der künstlerischen Gestaltung nehmen. Das riesige Rundgemälde im eigens hierfür errichteten Rundbau wird schließlich am 14. September 1989 eröffnet. Tübke weicht vom Panorama des 19. Jahrhunderts sowie vom sowjetischen Vorbild ab: Es gibt weder eine erhöhte Besucherplattform noch ein Faux Terrain, zudem wird kein spezifischer Moment der historischen Schlacht im Rundum- und Überblick gegeben. Stattdessen ist die wimmelbildartige, rund 3000 Figuren fassende Komposition mit mehreren Zonen an frühneuzeitliche Bildstrukturen angelehnt. Parallel- und Zentralperspektive werden kombiniert. So entsteht das Bild eines konfliktreichen Epochenumbruchs, welches mit seiner zyklischen Struktur zugleich die Idee einer Fortschrittsgeschichte infrage stellt. – Clara Wörsdörfer

Literatur / Quellen:

  • Tübke, Werner: „Zur Arbeit am Panoramabild in Bad Frankenhausen (DDR)“. In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 42 (1985), H. 4, S. 303–306
  • Tübke, Werner: Reformation – Revolution. Panorama Frankenhausen. Monumentalbild von Werner Tübke, Dresden: Verlag der Kunst 1988
  • Tübke, Werner: Bauernkrieg und Weltgericht. Das Frankenhausener Monumentalbild einer Wendezeit, Leipzig: E.A. Seeman 1995
  • Gillen, Eckhart: „‚One can and should present an artistic vision… of the end of the world‘: Werner Tübke’s Apokalpytic Panorama in Bad Frankenhausen and the End of the German Democratic Republic“. In: Getty Research Journal 3 (2011), S. 96–116.

Weblinks:

🖙 Virtueller Rundgang Panorama Bad Frankenhausen

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, faktual, fiktional, Gemälde, Gemälderundbau, Gesamtarchiv, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, geschlossen, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, Panorama-Diskurs, Rundband, Rundbau, schematisch, symbolisch, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, Wimmelbild, Zeitensynopse, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1969 – Weltzeituhr am Berliner Alexanderplatz


Zehn Meter hoher Eckzylinder, dessen 24 Rechteck-Kanten je eine Zeitzone repräsentieren und jeweils darin liegende Städte aller Kontinente – insgesamt 146 (Stand 2023) – anzeigen. Innerhalb des Zylinders rotiert als eigentliche Uhranzeige ein Ring, der das Wandern der Stunden(zahlen) durch die Zeitzonen darstellt, sodass jederzeit abzulesen ist, wie spät es auf der Erde wo gerade ist. Darüber ist zudem ein beschleunigt rotierendes Planetarium installiert. Neben dem Ostberliner Fernsehturm prominenteste DDR-Manifestation sozialistischer Welteinheits-, Zukunfts- und Technik-Utopie, bis zum Mauerfall in unvermitteltem Kontrast zu den realen Weltbereisungsmöglichkeiten der Bevölkerung; 1985 und 1997 renoviert und aktualisiert; 2023 in einer klimaaktivistischen Impulshandlung mit Sprühfarbe verunstaltet. – Johannes Ullmaier

Weblinks:

🖙 Wikipedia
🖙 Klima-Protest

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Denkmal, Diagramm, Didaktik, faktual, Fernblick, geordnet, Gesamtdiagramm, Gesamtprojektion, geschlossen, Karte, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, Medientechnik, Moving Panorama, Organisation, Rundband, Rundbau, schematisch, Skulptur, symbolisch, Technik, Text, textuell, Universalchronik, Unterhaltung, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

1969 – 360°-Schwenk bei Walter De Maria

Beim 360°-Schwenk (auch Rundumschwenk, Panoramaschwenk) dreht sich die Kamera, fest positioniert auf einem Stativ, einmal oder mehrfach um die eigene horizontale Achse. Ein exzeptionelles Beispiel ist der 27-minütige Experimentalfilm Hardcore (USA 1969) des Land-Art-Künstlers Walter De Maria. Eine Wüste wird im 360°-Schwenk vorgeführt und dabei mit kurzen Zitaten aus dem Westerngenre konfrontiert: zwei Cowboys, die sich auf ein Duell vorbereiten. Der Kontrast konstituiert die Westernfragmente als eine in die amerikanische Landschaft projizierte Illusion. Die Andeutungen einer spannungsgeladenen Aktion werden durch die Differenz zur öden Landschaft dekonstruiert. Auch Three Circles on the Desert (USA 1969) von De Maria nutzt den markanten 360°-Schwenk in einer Wüste. Während sich die Kamera dreimal um die eigene Achse dreht, entfernt sich der Künstler im Bild – zwischen zwei engen, auf die Wüste gemalte Linien, die in der Tiefe des Bildes zusammenlaufen – und ist nach der dritten Drehung verschwunden. Die Komposition lebt von dem geometrischen Gegensatz zwischen der Zirkularität des Schwenks, der den Naturraum dynamisiert, und der Linearität der Bewegung des Künstlers, die sich in der Bildtiefe verliert. Die Panoramatik von 360°-Schwenks zeichnet aus, dass die Kadrierung den Bildausschnitt limitiert: Das Panorama ergibt sich also erst sukzessiv durch die Seitwärtsdrehung. In diesem Sinn wirken die Wüstenlandschaften in De Marias Filmen wie ein Panoramabild, das durch den Bildrahmen gezogen wird, und gleichen somit einem Moving Panorama. – Johannes Noss

Literatur / Quellen:

  • Ehninger, Eva: „360°: Landschaftsprojektionen und ihr bildkritisches Potenzial“. In: Bildprojektionen. Filmisch-fotografische Dispositive in Kunst und Architektur, hg. von Lilian Haberer und Annette Urban, Bielefeld: transcript 2016, S. 271–284, S. 285–302
Schlagwörter: 360°, Ästhetik, audiovisuell, bildvisuell, Didaktik, fiktional, Film, geordnet, Gesamtprojektion, geschlossen, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, Moving Panorama, Naturpanorama, Rahmenexpansion, Rundband, schematisch, Technik, Überwachung, Unterhaltung, Zentralblickpunkt

1968 – Ali Mitgutsch, Rundherum in meiner Stadt


Pionierwerk des aus München stammenden Kinderbuchautors, das als erstes Wimmelbuch im deutschsprachigen Raum gilt. 1969 erhält Mitgutsch für Rundherum in meiner Stadt den Deutschen Jugendbuchpreis. In seinen Wimmelbüchern werden häufig Themenkomplexe wie Dorf, Stadt, Land, Wasser und Arbeitswelt abgebildet, wodurch sie starke Alltagsnähe aufweisen. Oft betonen schon die Buchtitel den Suchbildcharakter, indem sie zum Mitmachen auffordern, wie etwa: Komm mit ans Wasser (1971). Zudem zeichnen Mitgutschs Bilderbücher sich durch ihre kleinteiligen Sachbeschreibungen aus. Indem sie den Blick auf Funktionszusammenhänge lenken, fördern sie die Beobachtungsgabe der jungen Leser (vgl. Kaminski, Bilderwelt, S. 320). Aus pädagogischer Sicht ermöglichen Mitgutschs Inszenierungen vielfältiger Alltagsszenen den Betrachtenden, Neues über ihre Umwelt zu lernen, wobei sie durch den Blick auf das Geschehen aus der Vogelperspektive zugleich immer den Überblick über die zahlreichen Details im Bild behalten. Durch die Tatsache, dass alle Figuren – egal, ob sie sich im Vordergrund oder im Hintergrund befinden – gleich groß sind, stellt der Autor und Zeichner bewusst ihre Funktion als Teil des Ganzen und damit strukturell auch ihre Ebenbürtigkeit heraus. Auf diese Weise erhält der Betrachter einen maximalen Freiraum beim Anschauen des Wimmelbuchs: Jeder kann selbst entscheiden, in welcher Reihenfolge das Bild erschlossen wird und welche Szenen eingehender betrachtet werden (vgl. Nefzer, Fantasie und Sprache, S. 25). – Lena Reuther

Literatur / Quellen:

  • Kaminski, Winfred: „Die Bilderwelt der Kinder“. In: Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur, hg. von Reiner Wild, Stuttgart: Metzler 1990, S. 317–323.
  • Mitgutsch, Ali: Rundherum in meiner Stadt. Mein Wimmelbuch, , 39. Aufl., Ravensburg: Ravensburger Buchverlag 1992.
  • Mitgutsch, Ali: Komm mit ans Wasser. Mein Wimmelbuch, , 40. Aufl., Ravensburg: Ravensburger Buchverlag 1992.
  • Nefzer, Ina: „Ich schaffe Bilder, die sich selbst erzählen. Mit Ali Mitgutschs Wimmelbüchern Fantasie und Sprache fördern“. In: Kindergarten heute 40 (2010), H. 8, S. 24–27.

Weblinks:

🖙 Ali Mitgutsch

Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Didaktik, Draufblick, Fernblick, fiktional, Gesamtprojektion, Großtableau, Medialpanoramatik, mimetisch, Panoramabild, schematisch, Überbreite, Unterhaltung, Wimmelbild, Zeichnung, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

1968 – Splitscreen in The Boston Strangler

Der auf wahren Begebenheiten basierende Kriminalfilm (dt. Der Frauenmörder von Boston, USA 1968, R: R. Fleischer) erzählt etwa 35 % seiner Laufzeit anhand eines geteilten Bildschirms. Bis zu zwölf autarke Bilder werden im Film als Felder nebeneinander montiert. Häufig sind die geometrischen Bildfelder dabei asymmetrisch positioniert, unterschiedlich groß und getrennt von schwarzen Rändern und Flächen. Neben der konventionellen filmischen Darstellung eines Telefonats im Splitscreen, wie sie seit der Stummfilmzeit üblich ist, erzeugt die Fragmentierung des Bildes Spannungsmomente und ermöglicht eine multiperspektivische, gleichzeitige Darstellung einer oder mehrerer Situationen. In einer ausgedehnten Montage- und Splitscreen-Sequenz, beginnend mit einer Szene, in der eine Frau vermutlich verfolgt und misstrauisch wird, teilt sich das Bild in fünf verschiedene Panels und zeigt in jedem jeweils eine verängstigte Bewohnerin Bostons. Dabei entsteht das Stimmungsbild einer panischen Stadt und kollektiver Hysterie, welches multiperspektivisch vermittelt und gleichzeitig nebeneinander in einem Filmbild inszeniert wird. Der Film verweist intermedial durch die gleichzeitige Darstellung von Produktion und Rezeption im Splitscreen auf das Fernsehen und stellt die mentalen Bilder des dissoziativen Täters dar. So entsteht eine allschau-diegetische Gleichzeitigkeit von verschiedenen Topografien, Modi und Fokalisierungen in einem hyperrealen Bild. – Kaim Bozkurt

Literatur / Quellen:

  • Mauer, Roman: „Mensch / Bild / Teilung. Split Screen als Ästhetik der Dissoziation“. In: Kritische Berichte 41 (2013), H. 1, S. 25–36, S. 25–36
  • Scherer, Thomas: „‚One camera can’t show you that much‘“. In: Split-screens als Formen multiperspektivischen Sehens. (Dis)Positionen Fernsehen & Film, hg. von Miriam Drewes und et al., Marburg: Schüren 2016, S. 138–144, S. 138–144
  • Wulff, Hans J.: „Split Screen: Erste Überlegungen zur semantischen Analyse des filmischen Mehrfachbildes“. In: Kodiaks/Code 14 (1991), H. 3/4, S. 281–290, S. 281–290

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: audiovisuell, Didaktik, fiktional, Film, Gesamtdiagramm, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, Organisation, Rahmenexpansion, schematisch, Technik, Überwachung, Unterhaltung, Zugleichspräsentation

1968 – Augmented-Reality-Display, The Sword of Damocles

Das von Ivan Sutherland entwickelte Damoklesschwert gilt als erstes Head-Mounted-Display-System zur Darstellung einer erweiterten Realität (Augmented Reality). Das nie vollständig umgesetzte System sollte mittels eines stereoskopischen Bildschirms und zweier Kathodenstrahlröhren computergenerierte Grafiken im Drahtgittermodell räumlich darstellen. Man trägt das Gadget direkt am Kopf, so dass der Bildschirm sich unmittelbar vor den Augen befindet. Das Gerät wurde an einen an der Decke befestigten mechanischen Arm gekoppelt, um Kopfbewegungen zu erfassen und die Perspektive der Darstellung an die Blickrichtung anzupassen. Mit Apple Vision Pro hat das Unternehmen Apple2024 ein Head-Mounted-Display mit zwölf Kameras herausgebracht, welches eine erweiterte und virtuelle Realität mittels der Projektion von Software-Elementen in die reale Umgebung ermöglichen soll. – Kaim Bozkurt

Literatur / Quellen:

  • Mazuryk, Tomasz/Gervautz, Michael: Virtual Reality, Wien: TU Wien, Institut für Computergraphik und Algorithmen 1996
  • Sutherland, Ivan E.: „A head-mounted three dimensional display“. In: Proceedings of the December 9–11, 1968, Fall Joint Computer Conference, New York City, NY: Association for Computing Machinery 1968, S. 757–764, S. 757–764

Weblinks:

🖙 Wayback Machine: Sutherland Headmounted Display

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, audiovisuell, bildvisuell, Film, Gesamtprojektion, geschlossen, haptisch, Immersion, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, Rahmenexpansion, Technik, Unterhaltung, Zugleichspräsentation

1968 – Roland Barthes, L’Effet de Réel

Theoretischer Bezugspunkt für die Tendenz und Notwendigkeit sinn-redundanter Real-Überschüsse in panoramatischen Medienillusionen: In diesem Aufsatz beleuchtet Barthes (anknüpfend an seinen ein Jahr zuvor erschienenen Essay Le discours de l’histore, in dem er den Begriff erstmals verwendet hat) literarische Verfahren, mit denen Texte einen „Wirklichkeits-“ oder „Realitätseffekt“ erzeugen können. Entscheidend sind dabei die für den Plot bzw. eine strukturale Textanalyse funktionslosen und insofern scheinbar „überflüssigen Details“. Barthes diskutiert sie vor dem Hintergrund der antiken Rhetorik und stellt sie in die Tradition der epideiktischen Rede bzw. der Ekphrasis und Hypotypose, die jedoch in solchen Texten mit „‚realistischen‘ Imperativen“ verschränkt seien: „Die nicht weiter zerlegbaren Reste der funktionalen Analyse haben eines gemein: Sie denotieren, was man gemeinhin als die ‚konkrete Wirklichkeit‘ bezeichnet (kleine Gesten, flüchtige Haltungen, unbedeutende Gegenstände, redundante Worte). Die bloße ‚Darstellung‘ des ‚Wirklichen‘, die nackte Schilderung des ‚Seienden‘ (oder Gewesenen) erscheint somit als ein Widerstand gegen den Sinn; dieser Widerstand bestätigt den großen mythischen Gegensatz zwischen dem Erlebten (dem Lebenden) und dem Erkennbaren […].“ Das Maximierung von Realitätseffekten markiert den einen Pol medialpanoramatischer Wirklichkeitsrepräsentation, dessen Gegenpol die semantische Optimierung per Abstraktion (zur Karte, Tabelle, Formel) bildet. – Bernd Klöckener

Literatur / Quellen:

  • Barthes, Roland: „L’effet de réel“. In: Communications 11 (1968), S. 84–89

Weblinks:

🖙 Digitalisat
🖙 Digitalisat der dt. Übersetzung

Schlagwörter: Ästhetik, Didaktik, Ekphrasis, faktual, fiktional, Gesamtprojektion, Immersion, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, schematisch, symbolisch, Text, textuell, Unterhaltung, Wissenschaft