
Kugelförmige Mehrzweckarena nahe Las Vegas und bis dato größtes kugelförmiges Gebäude der Welt, mit einem Durchmesser von 157 m und 81.300 m2 Fläche. Eröffnung am 29. September 2023 mit der Liveshow U2: UV Achtung Baby Live at Sphere der irischen Rockband U2. An einem Großteil der Außenfläche sind ca. 58 Mio. LED-Leuchten montiert und bilden so eine dynamische Animationsfläche. Die Arena bietet Sitzplätze für 18.600 Personen, darunter 10.000 Sitze, die jeweils mit steuerbaren haptischen Effekten ausgestattet sind. Im Innenraum befindet sich ein 15.000 m2 großer LED-Bildschirm mit 16 K-Auflösung sowie ein Rundum-Tonsystem mit 96 dynamischen Lautsprechern. Durch die Dimensionen und die technische Ausstattung der Sphere verspricht der Betreiber den Besucher:innen eine gesteigerte immersive sensorische Erfahrung. Das Produktionsstudio nutzt ein eigenes Kamerasystem zur Erstellung von Material für die Sphere, Big Sky genannt, mit dem Regisseur Darren Aronofsky Postcard from Earth (USA 2023), den ersten Film des Studios, produziert. – Kaim Bozkurt
2022 – Anselm Kiefer, Questi scritti, quando veranno bruciati, daranno finalmente un po´di luce
(dt. Die Schriften werden, wenn sie verbrannt werden, endlich etwas Licht werfen) Im Rahmen der Viennale 2022 bespielt Kiefer den Sala dello Scrutinio in Venedig. Er lässt Werke alter Meister wie Tintoretto verhüllen und bringt darüber in einer Art panoramatischer Palimpsestierung flächendeckend eigene Bahnen mit Kunstwerken an. Damit nimmt er Bezug auf das ursprüngliche Programm des Bildsaales und verhängt unter anderem ein Gemälde, das den Sieg der Venezianer über die Ungarn zeigt, mit einer Bildbahn, die unter anderem U-Boote und einen Metallsarg darstellt. Die düsteren Bilder stehen im Kontrast zu den ruhmreichen Präsentationen dahinter. Kiefer sagt über sein Werk: „Der neue Raum, den ich geschaffen habe, ist eine Überlagerung von allen möglichen Ideen, Philosophien aus dem Norden, aus dem Süden, aus dem Orient und dem Okzident.“ Die Arbeit umfasst 800 qm und verdeckt alle vier Wände des Sala dello Scutinio. – Antje Schilling
Literatur / Quellen:
- Kiefer, Anselm: „Interview“. In: Art 08 (2022), S. 20–33
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2021 – Aussichtsplattform Summit One Vanderbilt

Transparente Panorama-Plattform mit ‚freischwebendem‘ New-York-Ausblick, beispielhaft für den unverminderten weltweiten Inszenierungswettbewerb um immer spektakulärere Panoramablick-Attraktionen. – Johannes Ullmaier
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2013 – Yayoi Kusama, The Souls of Millions of Light Years Away
Das Markenzeichen der 1929 in Matsumoto, Japan, geborenen Künstlerin sind ihre Polka Dots, farbige Punkte, die sie auf Leinwänden, Skulpturen, Menschen, ja im Prinzip überall anbringt. Ebenso einschlägig sind jedoch ihre Installationen und Performances. Kusamas bekannteste Installationsform sind die „Infinity Rooms“. Im Laufe ihrer Karriere hat sie mehr als zwanzig dieser „Unendlichkeitsräume“ geschaffen, jeden mit einer anderen Thematik bzw. einem anderen Titel (z. B. Phalli’s Field, Love Forever oder Aftermath Of Obliteration Of Eternity). The Souls Of Millions Of Light Years Away aus dem Jahr 2013 ist einer ihrer größten Räume: Wände, Decke und Boden sind mit Spiegeln ausgekleidet, eine kleine Anzahl von LED-Leuchten erhellt die Szenerie in verschiedenen Farben. Ähnlich wie Sterne in einer unendlich erscheinenden Galaxie reflektieren die Lichter in den Spiegeln, multiplizieren sich und schaffen in dieser immersiven Umgebung eine rekursive Illusion. Je weiter man in den Raum ‚hineinschaut‘, desto dichter wird die Lichterdecke, bis die Farben Grün und Weiß verschmelzen. Von allen Seiten umschlossen, tauchen die Eintretenden in diese künstliche Sternengalaxie ein, wodurch ein allumfassender, grenzenloser Schauradius suggeriert wird. – Nele Schön
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2005 – 5D-Kino
Versuch einer alle Sinne umfassenden immersiv-mimetischen Totalisierung des traditionellen 3D- bzw. Duftkinos durch haptische Stimulationen im Kinosaal, die dem Publikum vor allem mittels aufwändig präparierter Kinositze verabreicht werden. Nach Erstvorstellungen 2005 in Wien und Linz ab 2006 auch in Berlin (CineStar/Borsighallen) und anderen Städten, allerdings ohne breitere Resonanz. – Lea Müller
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2003 – Yadegar Asisi, Pilotprojekt Everest
In Wiederaufnahme der traditionellen Barker-Panorama-Form komponiert der Medienkünstler Asisi mit Fokus auf Perspektive, Form-, Farb- und Pigmentlehre aus Fotografien, Zeichnungen und Malereien 360°-Kunstwerke, die auf einer 32 m hohen und 100 m langen Leinwand gedruckt und im Rundband aufgehängt werden. Seine Installationen werden von einem Ausstellungsrundgang begleitet und akustisch flankiert. Im Mittelpunkt befindet sich ein Aussichtsturm, der Sicht auf verschiedenen Ebenen gewährt. Asisis Panorama-Pilotprojekt Everest erinnert in Leipzig an die Erstbesteigung des Mount Everest. Die Installation gibt Einblick in die Perspektive eines Bergsteigers und dessen Gefühlswelt. In Rom 312 und Luther 1517 repräsentiert Asisi den Ausgangs- und Wendepunkt der christlichen Kirche. Weitere Werke finden sich auf seiner Homepage dokumentiert. – Maureen Seyfarth
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2001 – Alexander McQueen, Modekollektionspräsentation Voss
Modenschauen sind im Regelfall in dem Sinn panoramatisch, dass sie die gesamte Kollektion eines Designers bzw. einer Designerin für eine bestimmte Saison präsentieren, also ganz wörtlich „alles“ zum „Sehen“ preisgeben. 2001 weist die Herbst/Winter-Modenschau Voss des britischen Designers Alexander McQueen jedoch noch weitere panoramatische Aspekte auf. Die Kleider selbst sind von der Natur, vor allem von der Tierwelt, inspiriert, bestehen aus Materialien wie Federn, Muscheln oder Tintenfischhaut, und manche Models tragen Greifvögel als Kragenkonstruktionen. Panoramatisch markant ist jedoch die Raumaufteilung: Im ersten Raum befindet sich das Publikum. Von dort aus sieht es in einen zweiten eine verspiegelte Glasbox mit dem Catwalk, auf dem die Models einen U-förmigen Bogen laufen, sodass man sie von allen Seiten sehen kann. Der Catwalk aber führt um einen dritten Raum, eine Eisenkonstruktion, deren Wände milchig-schmutzig, also blickdicht sind. Durch das Raum-im-Raum-im-Raum-Konstrukt wirkt der Blickradius unendlich, ähnlich wie in einem Spiegel, der selbst einen Spiegel reflektiert. Angesichts der verschachtelten Realitäten werden die Zusehenden dazu eingeladen, über Begrenzungen und Übergänge zwischen Räumen nachzudenken. Zudem wird man, bevor die Show überhaupt losgeht, nahezu gezwungen, sich selbst und die Anderen in den verspiegelten Glaswänden zu registrieren: „Das selbstwahrnehmende Subjekt ist gleichzeitig beobachtetes Objekt“ (Silbermann, „Zur Räumlichkeit der Modenschau“, S. 76). Schließlich bildet der Raum im Raum im Raum auch ein Zeitpanorama. Denn nachdem die Zuschauenden im ersten Raum ihre eigene Gegenwart und im zweiten die Mode der Zukunft gesehen haben, öffnet sich der dritte zum Finale: In dem Eisenschrein erscheint, während Motten aus der Box flatttern, eine üppige nackte Frau auf einem Canapé. Sie trägt eine Atemmaske, wird nur mit Schläuchen ‚am Leben gehalten‘ und verweist damit spektakulär auf die Vergänglichkeit sämtlicher Schönheitsideale. – Nele Schön
Literatur / Quellen:
- Silbermann, Charlotte: „Zur Räumlichkeit der Modenschau Voss von Alexander McQueen“. In: Räume der Mode, hg. von Gertrud Lehnert, Paderborn: Wilhelm Fink 2012, S. 75–83, S. 75–83
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1995 – Valère Novarina, La Chair de l’homme [Das Fleisch des Menschen]
Im Klappentext zur Buchausgabe beschreibt der französische Autor, Maler und Regisseur sein 526 Seiten langes Theaterstück [dt. Das Fleisch des Menschen] wie folgt: „Amygdalus, das ist der Mandelbaum: der erste, der wieder erblüht, der erste wiedergeborene Baum. Aufgebaut auf 4 Rosetten: der Rose der Namen, der Rose der Philosophen, der Rose der Flüsse, der Rose der 8, öffnet das Buch sich auf ein Mahl, bei dem die Welt gegessen wird. Neunmal vernimmt man in ihm den Walzer der Eloquenz und neunmal den Untergangstango. Es teilt sich auf in 62 Szenen und lässt 3171 Figuren auftreten; es nennt Gott 429 Mal, vertritt, dass unser Fleisch die Sprache ist, beschreibt 88 Zirkusnummern, verwendet 2587 der 6912 Verben unserer Sprache und erkennt, dass der Messias das Wort ist. Im Mittelpunkt, unter einem Mandelbaum, das Unfehlbare Kind. Geschrieben vom 7. Dezember 1991 bis zum 9. November 1994 in Marseille, in Paris, in Krakau, in Moskau, in Barcelona, in Montpellier, in Bremen, in Rom, in Parma, in Poitiers, in Wien, in Remscheid, in Porto, in Salerno, in Budapest, in Herlin, in Trécout, in Loutro, in Agios Pavlos, in Phenix und in Besançon.“ (dt. v. LV). Der Stücktext ist symptomatisch für den demiurgischen Schreibansatz von Novarina, der in Abwandlung von Wittgenstein postuliert: „Worüber man nicht sprechen kann, das muss man sagen.“ Inspiriert von Rabelais betreibt er eine freie und kraftvolle Erweiterung des Französischen mit dem Ziel, ins bislang Undenkbare vorzustoßen. Charakteristisch dafür sind seine „Rosetten“, gewaltige Aufzählungen, in denen die Zeit stillzustehen scheint. So beginnt der Text gleich mit zwölf Seiten kurzer Attentum-Imperative („‚Seht‘ sagte Hans; ‚Seid aufmerksam‘ fügte Jakob hinzu [etc.]“), gefolgt von einer 16-seitigen Aufzählung der Figuren oder Gruppen, die das Bühnenpanorama sukzessiv bevölkern („Auf die kreisförmige Bühne treten Hans Mutist, Hans Maulwürfler, […] die Träumenichtskinder [etc.]“). Das weitere Geschehen, eine Art universales Abendmahl, sprengt alle Möglichkeiten eines Theaterabends und wirkt wie ein modernes Sprachpendant zu den Wimmelbildern von Bosch und Brueghel. Szene XXXV etwa zitiert eine Folge von 311 Gottesdefinitionen quer durch die Jahrhunderte, von diversesten Vertretern der drei Schriftreligionen wie auch von Agnostikern, Schriftstellern, Chansonniers oder ganz Unbekannten; eine Regieanweisung entfesselt den Auftritt von Trapezkünstlern und benennt 88 hochseilakrobatische Figuren, die das Zirzensische des Unternehmens unterstreichen. Die letzte „Rosette“ schließt den Text (in Anspielung auf Bibelpsalm 137) mit der Frage: „Am Ufer wievieler Ströme, Flüsse, Bäche habt Ihr Euch niedergesetzt und Eure Tränen fließen lassen?“ Beantwortet wird sie mit nahezu 2000 Flussnamen fast aller Sprachen und Regionen, in denen die Geschichte, Herkunft, Geografie und das Unbewusste aller dieser Tränenflüsse sedimentiert ist, ohne auserzählt zu werden. Nach Uraufführung einer Theaterbearbeitung durch den Autor selbst am 21. Juli 1995 wird das Stück im Herbst desselben Jahres in Paris im (1860 ursprünglich als Gemäldepanorama errichteten) Théâtre du Rond-Point und auf Tournee in Cavaillon, Cherbourg, Evreux, Remscheid, Münster, Stuttgart und Saarbrücken gezeigt. Die deutsche Übersetzung der 311 Gottesdefinitionen wird 2011 vom Bayerischen Rundfunk mit 107 Stimmen als Hörspiel gesendet und erscheint 2012 als Buch. – Leopold von Verschuer
Literatur / Quellen:
- Novarina, Valère: La Chair de l’homme, Paris: P.O.L. 1995
- Novarina, Valère: 311 Gottesdefinitionen >[=Kapitel XXV aus La Chair de l’homme], Berlin: Matthes & Seitz 2012
- Fröhlich, Constanze: Poetik der Fülle. Sprechen und Erinnern im Werk Valère Novarinas, Heidelberg: Winter 2014
Weblinks:
🖙 Radioportrait BR2 (2011)
🖙 Toledo-Übersetzerjournal (2022)
1995 – Orbis Pictus Revisited
Interaktive Amsterdamer Medieninstallation zu Comenius’ didaktischem Gesamtkompendium von 1658. – Johannes Ullmaier
Weblinks:
1993 – Ausstellung Sehsucht – Das Panorama als Massenunterhaltung des 19. Jahrhunderts
In der Kunst- und Ausstellungshalle der BRD in Bonn findet die bislang profundeste und reichhaltigste Einzelschau zur Geschichte und technischen Faktur panoramatischer Medien vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert statt. Der dazu erschienene Katalog ist bis heute das materialreichste Einzelkompendium zum Thema. – Johannes Ullmaier
Literatur / Quellen:
- Plessen, Marie-Louise von/Giersch, Ulrich (Hgg.): Sehsucht. Das Panorama als Massenunterhaltung des 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main: Stroemfeld / Roter Stern 1993