1929 – Buckminster Fuller, Dymaxion House

Mit dem Modellentwurf eines hexagonalen Hauses schlägt Designvisionär Fuller als architektonisches Paradigma des zukünftigen Standard-Eigenheims eine Art bewohnte Panorama-Plattform vor. Doch der häusliche Rundumblick in die Welt geht nie in Serie. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Borges, Sofia (Hg.): The Tale of Tomorrow. Utopian Architecture in the Modernist Realm, Berlin: Die Gestalten 2016, S. 110–111; 116 f.
  • Krausse, Joachim/Lichtenstein, Claude: Your Private Sky. R. Buckminster Fuller. Design als Kunst einer Wissenschaft, Zürich: Lars Müller 1999, S. 122–145

Weblinks:

🖙 Wikipedia Fuller
🖙 Wikipedia Dymaxion

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Blicktransparenz, Fernblick, haptisch, Konzept/Idee, Naturpanorama, Organisation, Realpanoramatik, Technik, Überwachung, Utopie/Dystopie, visuell, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1920 – Jewgenij Samjatin, Wir

Im Jahr 1920 verfasst und infolge der rigorosen sowjetischen Zensur erst 1924 und nur im Tamizdat publiziert, schildert der dystopische Roman des russischen Schriftstellers Jewgenij Iwanowitsch Samjatin (1884–1937) ein aus technischem Fortschritt und damit einhergehendem Machbarkeitswahn resultierendes Gesellschaftssystem des entindividualisierenden Totalitarismus. Von der Außenwelt durch eine Mauer getrennt, führen die Bewohner ein in allen, auch privaten, Belangen minutiös reglementiertes Leben als Nummern und in einheitlichen Uniformen. Sie leben in kubischen Wohnblöcken aus Glas, deren Transparenz sie allseits diszipliniert. Samjatins extrapolierende Überzeichnung der zeitgenössischen Sowjetdiktatur nimmt in der Diegese auch deren Zusammenbruch vorweg, wodurch sie zugleich zur allgemeinen Allegorie auf die panoptische Hybris des Menschen wird. Samjatins Werk inspiriert in der Folge maßgeblich heute bekanntere Dystopien wie Aldous Huxleys Brave New World (1932) und George Orwells 1984 (1949). – Violetta Xynopoulou

Literatur / Quellen:

  • Leucht, Robert: Dynamiken politischer Imagination. Die deutschsprachige Utopie von Stifter bis Döblin in ihren internationalen Kontexten 1848–1930, Berlin/Boston: De Gruyter 2016
  • Samjatin, Jewgenij: Wir [1920/24], Köln: Kiepenheuer & Witsch 1958
  • Schneider, Manfred: Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche, Berlin: Matthes & Seitz 2013, S. 253–256

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Allwahrnehmung, Ästhetik, Blicktransparenz, Buch, Didaktik, fiktional, Gesamtprojektion, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Organisation, Realpanoramatik, symbolisch, Technik, Text, textuell, Überwachung, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, visuell, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

1914 – Bruno Taut, Glaspavillon auf der Kölner Werkbund-Ausstellung


Der (zerstörte) Pavillon der Deutschen Glasindustrie, den Taut zur Kölner Werkbundausstellung 1914 beisteuert, steht hier repräsentativ für den moderne-utopischen Impuls zu einer all-durchsichtigen Architektur und Lebensweise insgesamt, wie sie im selben Jahr in Paul Scheerbarts Essay Glasarchitektur programmatisch entworfen wird. Gegen Ende heißt es darin: „Nach dem Gesagten können wir wohl von einer ‚Glaskultur‘ sprechen. Das neue Glasmilieu wird den Menschen vollkommen umwandeln.“ (Scheerbart, Glasarchitektur, S. 125). – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Scheerbart, Paul: Glasarchitektur [1914], Berlin: Gebr. Mann 2000
  • Thiekötter, Angelika: „Kristallisationen, Splitterungen. Bruno Tauts Glashaus“. In: Kristallisationen, Splitterungen. Bruno Tauts Glashaus, Ausst.-Kat. Berlin, Werkbund-Archiv, hg. von Oliver Bätz, Basel/Berlin/Boston: Birkhäuser 1993
  • Schneider, Manfred: Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche, Berlin: Matthes & Seitz 2013, S. 191–207

Weblinks:

🖙 Wikipedia Taut

Schlagwörter: Allwahrnehmung, Ästhetik, Bauwerk, Blicktransparenz, Denkmal, faktual, Gesamtprojektion, Konzept/Idee, offen, Organisation, Realpanoramatik, Technik, Überwachung, Utopie/Dystopie, visuell, Zugleichspräsentation

1895 – Entdeckung der Röntgenstrahlen


Am 8. November 1895 entdeckt Wilhelm Conrad Röntgen die Strahlung, die im deutschen Sprachraum bald nach ihm benannt wird. Sie kann Materie durchdringen. Stoffe sind unterschiedlich durchlässig, sodass die Röntgenstrahlen unterschiedlich stark durchkommen. Durch die variierende Stärke des Durchkommens können die Strahlen zur Bilderzeugung genutzt werden, zum Beispiel am menschlichen Körper, dessen Knochen eine höhere Dichte aufweisen als seine Organe. Bei modernen Geräten können auch letztere abgebildet werden. Der Einsatz von Röntgenstrahlen zur therapeutischen Behandlung von Hautkrankheiten beginnt 1896. – Lea-Sophie Dettmann

Literatur / Quellen:

  • Busch, Uwe/Rosendahl, Wilfried (Hgg.): Die Welt im Durchblick. Wunder moderner Röntgentechnik, Darmstadt: WBG/Theiss 2019

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Bild, bildvisuell, Blicktransparenz, faktual, Foto, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, Technik, Überwachung, Wissenschaft, Zugleichspräsentation

ca. 1883 – „Allwissender Erzähler“

Mit der Unterscheidung von „Allgegenwart und Allwissenheit des Dichters“ legt der Schriftsteller Friedrich Spielhagen (Spielhagen, Beiträge zur Theorie und Technik des Romans, S. 236) in seinem theoretischen Werk Beiträge zur Theorie und Technik des Romans eine Begriffsgrundlage für den vor allem im schulischen Gebrauch populären Terminus eines quasi-göttlichen „Allwissenden Erzählers“, der in der akademischen Narratologie ab Mitte des 20. Jahrhunderts – mit unterschiedlichen Akzenten – als „Auktoriale Erzählsituation“ (Stanzel) bzw. „Nullfokalisierung“ (Genette) konzipiert wird. Überall ist damit jedoch der (im praktischen Gebrauch bis in die Antike zurückgehende) Fall eines Erzählmodus markiert, der sich das Recht nimmt, die erzählerisch präsentierte Welt beliebig zu entwerfen, zu perspektivieren und zu modifizieren. Schärfer als gemeinhin üblich wäre dabei zwischen einer – tendenziell expliziten und (quasi-)zugleichspanoramatischen – Darbietung bzw. Behauptung manifester All- und Überschau und einer – tendenziell impliziten und verlaufspanoramatischen – Lizenz zur unlimitierten Bewegung durch ‚alle möglichen‘ lokal wechselnden Seinssphären und Perspektiven zu unterscheiden. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Spielhagen, Friedrich: Beiträge zur Theorie und Technik des Romans, Berlin: L. Staackmann 1883

Weblinks:

🖙 Spielhagen
🖙 Martinez-Artikel Allwissendes Erzählen

Schlagwörter: Allwahrnehmung, Ästhetik, Blicktransparenz, Didaktik, Draufblick, Fernblick, fiktional, Gesamtprojektion, Idealpanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, offen, symbolisch, Text, textuell, Überwachung, unbegrenzte Allheit, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

1822 – Diorama


Prominent eingeführt vom Fotografie-Pionier Louis Daguerre, bildet das Diorama als immersives Erlebnis einen Vortypus des Kinos. In speziell für diesen Zweck erbauten Gebäuden sollen Zuschauende auf einer rotierenden Plattform und mithilfe von Lichttricks eine möglichst glaubhafte Illusion erleben. Tag und Nacht werden durch die Verschiebung bemalter transparenter und opaker Leinentücher sowie eine dynamische Lichtregie nachgeahmt, sodass eine Landschaft im bewegten Tagesablauf erscheint. Gegenüber dem Barker-Panorama hat sich das Streben nach der Illusion eines Vor-Ort-Seins hier schon weitgehend vom Anspruch auf die visio-mimetische Kopie einer existierenden Landschaft gelöst. – Lea Müller | Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Daguerre, Louis-Jacques-Mandé: Historique et description des procédés du daguerréotype et du diorama, Paris: Béthune and Plon for Susse frères and Delloye 1839
  • Oettermann, Stephan: Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt am Main: Syndikat 1980, S. 56–67

Weblinks:

🖙 Funktionsweise des Dioramas in Bildern

Schlagwörter: 360°, Animation, Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Blicktransparenz, Didaktik, faktual, fiktional, Gemälde, Gemälderundbau, Gesamtprojektion, Immersion, Medialpanoramatik, mimetisch, Panoramabild, Rundband, Rundbau, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1808 – Johann Adam Breysig, Kosmotheater

Als utopischen Fluchtpunkt seiner voranstürmenden, in der praktischen Umsetzung aber vom Pech verfolgten theatertechnischen Reformbemühungen imaginiert der (auch als verspäteter Panoramaerfinder einschlägige) Medienpionier ein Kosmotheater, in dem All-Präsentation und Immersion verschmelzen: „Unter diesem Ausdrucke verstehe man ein Theater [,] in welchem alle Wirkungen der Natur und Kunst täuschend hervorgebracht werden; ein Pantheater, eine Weltschau, ein Universaltheater, in welchem sich alles bewegt und bey welchem nur die Umgebung (das Aeusserste) feststeht. / Eine solche Anstallt bestehet in der Vereinigung aller Theater, in welchem [sic] jede beliebige Schaustellung und jedes beliebige Schauspiel gegeben werden kann. / Ein (vorher beschriebenes) Autokinesitheater kommt ihr am nächsten bey der Ansehung der Einrichtung. Ein solches Theater macht alle Arten von Theater überflüssig, eben weil es der Inbegriff aller Theater ist.“ (Breysig, „Ueber den Bau, die Maschinerie und Mahlerey des Theaters [1806]“, S. 153). In der Realität brannte das erst am 29.4.1808 eröffnete Königsberger Neue Schauspielhaus, in dem Breysig einige seiner Bühnenrevolutionen eindrucksvoll implementieren konnte, schon am 1.7. nach nur wenigen Vorführungen ab. (Krengel-Strudthoff, „Eine vergessene Bühnenreform“, S. 55 f.) Bis zur Einführung elektrischer Beleuchtung bleibt die Lichtregie für geschlossene immersive Medien praktisch und ästhetisch ein Problem. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • In blauer Ferne. Von der Kulissenbühne zum Königsberger panoramischen Theater. Schriften zur Bühnenreform von Johann Adam Breysig (1766–1831), hg. von Ingeborg Krengel-Strudthoff und Rudin Bärbel, Wiesbaden: Harrassowitz 1993, S. 142–206
  • Krengel-Strudthoff, Ingeborg: „Eine vergessene Bühnenreform: Johann Adam Breysigs Weg zur Szenographie des Königsberger Neuen Schauspielhauses“. In: In blauer Ferne. Von der Kulissenbühne zum Königsberger panoramischen Theater. Schriften zur Bühnenreform von Johann Adam Breysig (1766—1831), hg. von Ingeborg Krengel-Strudthoff und Bärbel Rudin, Wiesbaden: Harrassowitz 1993, S. 9–66

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: 360°, Allwahrnehmung, Ästhetik, audiovisuell, auditiv, Bauwerk, bildvisuell, Blicktransparenz, Didaktik, Event/Performance, faktual, Fernblick, fiktional, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, haptisch, Idealpanoramatik, Immersion, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, Medientechnik, mimetisch, Moving Panorama, Panorama-Beschreibung, Rahmenexpansion, Rundbau, schematisch, symbolisch, Technik, Text, textuell, Unterhaltung, Zeitensynopse, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1804 – Claude Nicolas Ledoux, Coup d’oeil du Théâtre de Besançon


Ikonische Radierung des Architekten zu seinem Theaterbau in Besançon: das Auge im Panorama-Rund. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Küster (Hg.), Theatrum Mundi((fehlt in der Bibliografie)), S. 57

Weblinks:

🖙 Wikipedia zum Theater

Schlagwörter: Allwahrnehmung, Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Blicktransparenz, faktual, fiktional, Gesamtprojektion, Halbrundband, Immersion, Konzept/Idee, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, symbolisch, Technik, Überwachung, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1798 – Robertsons Fantasmagorien

Medieninstallation, von Étienne-Gaspard Robert, mit Künstlernamen Robertson, 1798 in Paris eingeführt. Mithilfe des Projektionsgeräts Laterna magica projiziert er Trugbilder auf durchscheinende Leinwände auf der Bühne, um transparente Geisterfiguren erscheinen zu lassen. So dynamisiert er das Laterna-magica-Prinzip, die Projektionen scheinen sich nun auf das Publikum zu- oder von diesem wegzubewegen. Als Frühform späterer Immersionsmedien werden Robertsons Vorführungen zudem durch olfaktorische und taktile Sinneseindrücke ergänzt. Ziel der Vorführung ist es, die Grenze zwischen Realität und Illusion zu verwischen. Ein sinnesmodal ausgreifender Seitenzweig zu zeitgleich evolvierenden visio-panoramatischen Faux-Terrain-Strategien. – Theresa Jahnen

Literatur / Quellen:

  • Désile, Patrick: Généalogie de la lumière. Du panorama au cinéma, Paris: L’Harmattan 2000

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Ästhetik, audiovisuell, Bild, bildvisuell, Blicktransparenz, Event/Performance, fiktional, haptisch, Immersion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, mimetisch, Rahmenexpansion, Technik, Unterhaltung, Zugleichspräsentation