1965 – Oswald Wiener, Konzept des Bio-Adapters

Als Chuck Norris hörte, dass nichts ihn töten könne, spürte er nichts auf und tötete es seinerseits. (Volkswitz)

Die Vorstellung des „Bio-Adapters“ ist ein Gedankenspiel, das der österreichische Schriftsteller und Kognitionsforscher Oswald Wiener (1935–2021) 1965/1966 für den Bildhauer Walter Pichler erstmals in einem „Prospekt“ skizzierte. 1969 veröffentlichte Wiener diese technische Skizze in dem experimentellen Roman die verbesserung von mitteleuropa, roman als Schlussabschnitt und fügte davor einen philosophisch-politischen Essay unter dem titel notizen zum konzept des bio-adapters ein, der seine existenzphilosophischen und politischen Motive für diese Vorrichtung detaillierte.

Die Funktionsweise des Bio-Adapters besteht darin, Individuen eine befriedigendere Umgebung als die vorgefundene Umwelt aka Realität zu simulieren. Er tut dies mithilfe eines abgeschotteten „Anzugs“ bzw. einer Kapsel, die sämtliche, bisher von der ‚Außenwelt‘ gelieferten Sensorsignale in Echtzeit simuliert. Dabei passt sich die künstliche Peripherie immer genauer an die Bedürfnisse des ‚Insassen‘ an. Der Bio-Adapter lernt. Die Anpassung erfolgt in mehreren Lernschritten, bei denen die zuerst noch durch die Evolution gelieferte ‚Schnittstelle‘ an sämtlichen neuronalen Sinnesoberflächen (die ‚fünf Sinne‘), immer weiter in die Vorstellungswelt des Insassen verschoben wird, sodass dieser in der Endphase mit der Maschine verschmolzen ist. Der Bio-Adapter ist mehr als total immersiv. Er verschluckt seinen Insassen.

Das Ziel dieser Operation deutet Wiener zwiespältig. Einerseits soll der Bio-Adapter der „glücksanzug“ für einen „servo-narziss“ werden, der alle Bedürfnisse und, mehr noch, Bedürfnisse und Glücksgefühle, die wir uns in der herkömmlichen Realität noch nicht vorstellen können, befriedigt: „befreiung von philosophie durch technik“. Getreulich dem damaligen Trend zur Sprachphilosophie deutet Wiener „Philosophie“ sehr weitgehend. Auch die Autoritäten beruhten, wie Wiener in den vorderen Teilen der verbesserung polemisch darlegt, auf der „Sprache“, die in Form gedanklicher Systeme, „Freiheit“, „Glück“, „Ehe“ usw. als politische Ziele vorgäben, die den Staatsbürger*innen in jede Faser ihres Leibs und damit in jedem Verhalten aufoktroyiert werden.

Der Zwiespalt besteht darin, dass das Umschließen der Staatsbürger*innen in ihre Bio-Adapter eine Win-win-Situation für Individuum und Staat darstellt. Der Insasse erlebt zwar die panoramatische Kontrolle, de facto überwachen aber die dem Bio-Adapter übergeordneten Instanzen, die vor allem für die Energieversorgung des Geräts zuständig sind, ob sich seine Fortführung noch lohnt oder nicht. Die Evolution der Menschheit wird beendet, das biologische Merkmal „Denken“ schafft sich, da es ökologisch zerstörerisch wirkte, selbst ab.

Der Kerngedanke des Bio-Adapters – Spiegelung der Gedanken- und Motivwelt des Individuums in seine Außenwelt – hat eine lange Tradition. Sie verläuft von Platos Höhlengleichnis über Dantes „Übermensch“ (1307–1320), Descartes cogito ergo sum (1641), und in seiner schwarzromantisch nihilistischen Ausprägung über Baudelaires Die künstlichen Paradiese (1860) und Nietzsche (1883) bis zu Science-Fiction-Klassikern wie Jewgeni Samjatins Wir (1920), Daniel F. Galouyes Simulacron-3 (1964), Philip K. Dicks Do Androids Dream of Electric Sheep? (1968) bis hin zu William S. Gibsons Neuromancer (1984) u.v.m. Viele dieser literarischen Werke wurden zu einem Genre verfilmt, das mit der Matrix-Filmreihe vorerst perfektioniert scheint. Es ist ein spektakuläres Genre, das mehr als 100 Jahre bis heute dem Zeitgeist vieler ‚Nerds‘, Wissenschafts- und Kybernetikeuphoriker*innen entgegenkommt.

Zum Zeitgeist lässt sich festhalten, dass die verbesserung als Ganzes und der Bio-Adapter im Speziellen wie alle seine literarischen Vorgänger gegen die bürokratische Verwaltung der Massen gerichtet ist, in der jede individuelle Regung durch Gesetz und Psychiatrie in normativen Grenzen gehalten wird. Die Realität ist unbefriedigend, weil sie durch die Verwaltung gesteuert, von der Versicherungsmathematik ausgepolstert, kurz: bereits künstlich ist.

Selbst das Ungezügelte, der asoziale ‚Dämon‘ im Individuum ist durch Kriminalstatistiken und sozialtechnische Maßnahmen wie Knäste und Klapsen gezähmt. Dagegen opponiert der künstlich Wilde, die letztmögliche Art des Helden. Obwohl der Anschluss an den Individualismus der Romantik hier klar zutage tritt, dreht diese Art des technischen Eskapismus die Schraube der Erkenntnistheorie folgerichtig im geschlossenen Paranoia-Panorama einer 360°-Aussichtslosigkeit fest, das nur normativ am ‚asozialen Verhalten‘ definiert werden kann.

Dieses melancholische Modell wird vom Bio-Adapter sarkastisch versüsst, indem er subjektiven Individualismus und objektive Staatskontrolle zugleich optimiert. Dieser Zirkelschluss macht die Ökonomie und damit den ästhetischen Erfolg des Gedankens in Kunstkreisen aus. Ein einziger Gedanke, nämlich der, es gäbe ‚das Echte‘ im Gegensatz zu einem ‚bloß Manipulierten‘, lässt der erzählerischen Fantasie sämtliche Möglichkeiten des individuellen Dramas. Der Nihilismus nichtet, wirft dabei aber immer dieselbe Heldentragödie aus, die einzig Chuck Norris, wie im Motto angedeutet, zum Guten wenden kann (Wiener 1981). Ironisch fällt ins Auge, dass der Bio-Adapter gerade die Gedanken und Motive spiegelt, an denen die Insassen leiden. Er ist in dieser Hinsicht ‚umgekehrt buddhistisch‘ – nicht die frustrierenden Gedanken und Motive werden bekämpft, sondern die frustrierende Umwelt, die als vollkommen fremdgesteuert definiert wird.

Zur technischen Kritik: Die staatliche Verwaltung kann freilich als gigantischer Apparat zur Konditionierung durch Belohnung (Zeugnisse und Titel) und Bestrafung (Arbeitslosigkeit und Knast) verstanden werden. Doch technisch betrachtet müssen Reiz- und Feedback-Sequenzen nicht berechnet werden, da die biologische Beschränktheit des Menschen viel stärker zur Stromlinie drängt als ihre soziale Überformung.

Wie bei den meisten Utopien wird der Einfluss von (wissenschaftlichen und philosophischen) Gedanken und ihrer Umsetzung als Technik ein viel zu großer Raum gegenüber dem biologischen Substrat eingeräumt. Dies scheint verständlich, da die Verschachtelung der Organfunktionen in Säugetieren samt dem Einfluss der Umwelt aufs physiologische Substrat (z. B. Epigenetik) weit schwieriger zu verstehen ist als die erkenntnistheoretische Hybris, die sich aus der Überschätzung der Resultate und Möglichkeiten bisheriger Naturwissenschaft zwangsweise ergibt.

So wäre es technisch in einem Bio-Adaper der ersten Lernstufe (mit Stimulussimulation) schwer umsetzbar, die gesamte Sakkadenmotorik einzurechnen, die von der Aufmerksamkeit gesteuert wird. Nicht nur die Gedanken des Insassen, auch die gesamte Umwelt müsste mitsimuliert werden, der Rechen- und Energieaufwand wäre unter Umständen größer als in den natürlichen Vorgängen. Die Umwelt müsste als Stimulusfront simuliert werden, wo doch gerade die evolvierte Physiologie dies unnötig macht, weil die Aufmerksamkeit nur sparsam kleine Ausschnitte dieser Stimulusfront aufnimmt und verarbeitet (O’Regan 2011). Die internen Modelle der Welt im Insassen indes darzustellen ist nicht möglich, da es keine Messmöglichkeiten gibt, wo (noch) unbekannt ist, was genau gemessen werden soll. Der Bio-Adapter ist, so betrachtet, eine technische Fortführung des Behaviorismus von Skinner (1948).

Zur philosophischen Kritik: Im Schock der mechanistischen Welle nach Condillac (1754) und La Mettrie (1748) unter- und zugleich überschätzt die Romantik den wissenschaftlich-technischen Fortschritt. Technische Neuerungen sind gesellschaftlich disruptiv, das biologische Substrat des Menschen ist aber bei Weitem nicht gut genug verstanden, als dass man an der conditio humana zielgerichtet herumdoktern könnte. Bis heute leben wir in (ökologisch offenbar vorgegebenen) Horden und werden durch steinzeitliche Gefühle gelenkt, bloß verwenden diese Horden statt der Keule nunmehr den Computer. Ebendiese Manipulation des ökologischen Substrats ist aber das Ziel von Bio-Adapter und Co. Soviel zur Überschätzung. Die Unterschätzung kommt von der Utopie, dass das ‚Echte‘, die ‚natürliche Emotion‘, das ‚Gute‘, ja Werte im Allgemeinen von der Technik unberührbar seien und die Rückbesinnung auf ‚den Geist‘ die Wissenschaft in ihrer Disruption aufhalten könne.

Der Autor dieses Eintrags erlaubt sich zusätzlich den kritischen Vermerk, dass sich hinter dem Motiv der technischen Verbesserbarkeit unseres Leids eine evolutionistische Geschichtsauffassung verbirgt, der gemäß die menschliche Intelligenz objektiv definierbar und – oft implizit wie bei Wiener – als ‚höchste‘ Leistung der Evolution postuliert wird. Wissenschaftliche Kritik an dieser Auffassung wurde, wenn auch wesentlich weniger spektakulär, zeitlich parallel in der Kulturanthropologie von ökologischen Denkern wie bspw. Franz Boas (1911), Ruth Benedict (1935) oder Marshall Sahlins (2008) geäußert.

Diesen Denker*innen muss der ontologische Salto mortale des Simulationisten kindisch vorkommen, und ich merke an, dass Oswald Wiener seine verbesserung von mitteleuropa, roman in der Rückschau als Jugendwerk apostrophiert hat. Man kann auch ohne Panik die Grenzen des Freiheitsbegriffs ökonomisch und ökologisch definieren. Man muss nicht Nihilist sein, wenn der metaphysische Begriff der Totalfreiheit – und um diesen geht es in dieser panoramatischen Traditionslinie – fraglich wird.

Thomas Raab

Literatur / Quellen:

  • Baudelaire, Charles: Les paradis artificiels, opium et haschisch [1860], Paris: Éditions Flammarion 1976.
  • Benedict, Ruth: Patterns of Culture, London: Routledge & K. Paul 1935.
  • Boas, Franz: The Mind of Primitive Man, New York: Macmillan 1911.
  • Condillac, Étienne Bonnot de: Traité des sensations [1754], Paris: Fayard 1989.
  • Dante Alighieri: La Commedia / Die Göttliche Komödie. Aus dem Italienischen von Hartmut Köhler, Stuttgart: Reclam 2012 (bes. Canto I, 70).
  • Descartes, René: Meditationes de prima philosophia [1641]. Lateinisch-Deutsch. Vollständig neu übersetzt, mit einer Einleitung herausgegeben von Christian Wohlers, Hamburg: Felix Meiner 2008.
  • Dick, Philip K.: Do Androids Dream of Electric Sheep?, New York: Doubleday 1968.
  • Galouye, Daniel F.: Simulacron-3, New York: Bantam Books 1964.
  • Gibson, William: Neuromancer, New York: Ace Books 1984.
  • La Mettrie, Julien Offray de: Der Mensch eine Maschine / L’homme machine [1748], Leipzig: Reclam 1965.
  • Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra [1883]. Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden, Bd. 4, München: dtv 1980.
  • O’Regan, J. Kevin: Why Red Doesn’t Sound Like a Bell, Oxford, New York: Oxford University Press 2011.
  • Sahlins, Marshall: The Western Illusion of Human Nature, Chicago: Prickly Paradigm 2008.
  • Samjatin, Jewgenij: Wir [1920/24], Köln: Kiepenheuer & Witsch 1958.
  • Skinner, Burrhus F.: Walden Two, Indianapolis: Hackett Publishing Company 1948.
  • Wiener, Oswald: die verbesserung von mitteleuropa, roman, Reinbek: Rowohlt 1969.
  • Wiener, Oswald: „0“. In: Berliner Hefte 17 (1981), S. 38–50.

Weblinks:

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🖙 Popkultur und Philosophie

Schlagwörter: 360°, Animation, Ästhetik, audiovisuell, auditiv, Bild, bildvisuell, Didaktik, faktual, fiktional, Film, Gesamtprojektion, geschlossen, haptisch, Idealpanoramatik, Immersion, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, Medientechnik, Mikropanoramatik, mimetisch, Moving Panorama, Mythos/Religion, offen, Organisation, Rahmenexpansion, Realpanoramatik, schematisch, symbolisch, Technik, Text, textuell, Überwachung, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, visuell, Wissenschaft, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1964 – Bertrand Goldberg, Marina City


Zwillingsrundwohntürme in Chicago, bei Eröffnung die größten der Welt. Über das Konzept einer geschlossenen ‚Doppelrundstadt in der Stadt‘ hinaus in panoramatischer Hinsicht besonders durch die rekursive Pointe interessant, dass der Ausblick aus dem einen Rundbau hier fast überall den jeweils anderen, also eine gleichartige Blickplattform, einschließt, in deren Blickfeld das betrachtende Auge so im Prinzip auch selbst erscheint. Anders als im Barker-Panorama kann die damit evtl. verbundene Irritation in der Betonrealität jedoch kaum eine Illusionsstörung bewirken. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • The Tale of Tomorrow. Utopian Architecture in the Modernist Realm, Berlin: Die Gestalten 2016>, S. 186–196
  • Marjanovic, Igor: Marina City: Bertrand Goldberg’s Urban Vision, Princeton: Princeton Architectural Press 2010

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Blicktransparenz, Fernblick, haptisch, Medialpanoramatik, Organisation, Realpanoramatik, Rundband, Rundbau, Technik, Überwachung, visuell, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1960 – John Lautner, Panorama-Turm-Häuser


Serie von architektonischen Realisationen in unmittelbarer Barker-Panorama-Tradition: Auftakt 1960 die Malin Residence (Chemisphere), ein Wohn- und Party-Ufo im kalifornischen Fernando Valley; ähnlich spektakulär das Elrod House (1968) und die Arango Residence (1973). – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Borges, Sofia (Hg.): The Tale of Tomorrow. Utopian Architecture in the Modernist Realm, Berlin: Die Gestalten 2016, S. 148–167

Weblinks:

🖙 Wikipedia Malin Residence

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Blicktransparenz, Fernblick, haptisch, Medialpanoramatik, Naturpanorama, Organisation, Realpanoramatik, Rundband, Rundbau, Technik, Überwachung, visuell, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1957 – Stereophonie, Compatible Stereophonic Demonstration Record

Nach zahlreichen Vorbereitungen in der Mikrophonaufnahme-, Tonstudio- und Militärtechnik erscheint mit der von Sydney Fry produzierten Compatible Stereophonic Demonstration Record im November die erste stereophone Langspielplatte. Sie enthält auf einer Seite Dixieland-Jazz und auf der anderen Eisenbahngeräusche. Aufgrund der schleppenden Verbreitung passender Abspielgeräte dauert es allerdings noch bis Ende der 1960er-Jahre, bis sich ’stereo‘ als Audioformat allgemein durchsetzt. Seither bestimmt es – trotz immer weiterer panoramatischer Klangraum-Ausdehnungs-Verheißungen wie Quadro- und Oktophonie, Dolby Surround etc. – weithin den Audio-Panorama-Standard. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Alexander, Robert Charles: The Inventor of Stereo: The life and works of Alan Dower Blumlein, Oxford: Taylor and Francis 2000
  • Ouzounian, Gascia: Stereophonica, Cambridge, MA: MIT 2020

Weblinks:

🖙 Discogs
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Schlagwörter: Ästhetik, auditiv, Gesamtprojektion, Hörwerk, Immersion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, offen, Rahmenexpansion, Technik, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1955 – Morton Heilig, Erfahrungstheater

Der Pionier der Medienimmersion entwirft den Prototyp eines von ihm Erfahrungstheater genannten Filmprojektionssystems, das außer visuellen auch olfaktorische Sinneseindrücke inkludiert. Dabei füllt es das Sichtfeld der Beobachter:innen peripher horizontal und vertikal vollständig aus. 1956 simuliert Heilig so eine Motorradfahrt durch Manhattan und präfiguriert damit – noch rein analog – das Konzept virtueller Bewegungs-Realität im 360°-Panorama. – Rebecca Rasp

Literatur / Quellen:

  • Irrgang, Bernhard: Posthumanes Menschsein? Künstliche Intelligenz, Cyberspace, Roboter, Cyborgs und Designer-Menschen – Anthropologie des künstlichen Menschen im 21. Jahrhundert, Stuttgart: Franz Steiner 2005, S. 93

Weblinks:

🖙 Wikipedia_Morton_Heilig

Schlagwörter: audiovisuell, auditiv, bildvisuell, Gesamtprojektion, haptisch, Immersion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medieninstallation, Medientechnik, mimetisch, Rahmenexpansion, Technik, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

ca. 1953 – Oktophonie: John Cage, Williams Mix

Uraufführung der seit 1951 entwickelten, kontingenz-sound-panoramatischen Komposition für acht Tonbandmaschinen und oktophone klangräumliche Darbietung. Ein Stück von Karlheinz Stockhausen mit dem Titel Oktophonie für eine entsprechende Lautsprecher-Kreispositionierung entsteht 1991. Eine kommerzielle Nutzung oktophoner Wiedergabe kommt jedoch, zumal schon Quadro sich nicht durchsetzt, nie ernsthaft in Betracht. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Ouzounian, Gascia: Stereophonica, Cambridge, MA: MIT 2020

Weblinks:

🖙 Wikipedia Williams Mix
🖙 Wikipedia Oktophonie

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, auditiv, Gesamtprojektion, geschlossen, Immersion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, Rahmenexpansion, Rundband, Technik, Überbreite, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1949 – George Orwell, 1984


„Big Brother is watching you“. Klassische Roman-Dystopie des Panoptismus. In dem von Orwell als nahzukünftig beschriebenen Staat herrscht permanente Audio- und Visio-Heimüberwachung als fern- und realübertragungstechnisch modernisierte Ausbaustufe von Benthams Konzept einer zentralen Registratur möglichst aller, auch privatester Vorgänge bei den Subalternen durch eine permanent abwesend-anwesende, ihrerseits uneinsehbare Souveränitäts-Instanz. Diese erscheint allmächtig und bricht in Orwells Erzählung jeden Widerstand. Indes offenbart sich im paranoiden Sadismus, mit dem sie jeden abweichenden Gedanken und überhaupt jede vitale Regung verfolgen muss, sowie in der konstitutiven Geheimniskrämerei bezüglich ihrer eigenen Machtstruktur, Verlogenheit und Brutalität die kindische Hybris, logische Absurdität und parasitäre Schwäche, die Orwells historische Bezugspunkte, konkret vor allem den Stalinismus und den Nationalsozialismus, auf Dauer in die Selbstauflösung respektive Selbstzerstörung trieben. Realgeschichtlich gewährt die von Orwell im Kern erfasste ‚Schwarze Panoramatik‘ denen, die sie begehren – was seit jeher auch für Teile der (und innerhalb der) Überwachten gelten kann –, temporäre praktische Vorteile und Kontroll-(Lust-)Gewinne, so dass mit jeder neuen Generation und Medientechnik neue Implementierungen und lokale Überwachungsdiktaturen sprießen. Jenseits der damit einhergehenden Versteinerung bleibt als seh-logische Grenze allerdings die Allschau-Prätention per se. Denn es kann letztlich nur einen „Großen Bruder“ geben. Solange mehrere konkurrieren, bleibt jeder – und sei es ein Weltkonzern oder Riesenreichsregime – im Kern ein ‚kleiner Spanner‘, voller Angst, selbst ausgespäht zu werden. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Orwell, George: Neunzehnhundertvierundachtzig, Zürich: Diana 1950

Weblinks:

🖙 Wikipedia 

Schlagwörter: Allwahrnehmung, Ästhetik, audiovisuell, Bild, bildvisuell, Blicktransparenz, Buch, Didaktik, fiktional, Gesamtarchiv, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, Organisation, Speicher, Technik, Text, textuell, Überwachung, Utopie/Dystopie, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

1948 – Ruth Ford House


Glamouröses Beispiel eines realisierten Rotunden-Wohnbaus mit 360°-Ausblick und -Einblick. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Borges, Sofia (Hg.): The Tale of Tomorrow. Utopian Architecture in the Modernist Realm, Berlin: Die Gestalten 2016, S. 60–65

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: 360°, Ästhetik, Bauwerk, Blicktransparenz, Fernblick, haptisch, Medialpanoramatik, Naturpanorama, Organisation, Realpanoramatik, Rundband, Rundbau, Technik, Überwachung, visuell, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

1936 – Konzentrationslager Sachsenhausen


Das Konzentrationslager Sachsenhausen, das zugleich als Zentrale der KZ-Aufsicht aller Nazi-Konzentrationslager fungiert, wird – allerdings als einziges der vielen Nazi-Lager – nach panoptischem Muster angelegt. Der Häftlingsbereich des in einen idealen Kreis eingebetteten dreieckigen Geländes kann durch die SS-Aufseher vom Hauptzugang „Turm A“ aus zentral überwacht und mit Maschinengewehrfeuer rundum direkt tödlich sanktioniert werden. – Rebecca Rasp

Literatur / Quellen:

  • Welzbacher, Christian: „Idealstadt der Unterdrückung. Die Planung des Konzentrationslagers Sachsenhausen (1936)“. In: Kritische Berichte 34 (2006), H. 1, S. 69–81, S. 69–81

Weblinks:

🖙 Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

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1935 – Mapparium


In vielem ein Nachfolger von Wyld’s Great Globe, präsentiert sich das Mapparium als dreistöckiger Glas-Globus, der auf einer 9,1 m langen Brücke von innen erkundet werden kann. Das bei Einrichtung aktuelle Kartenmaterial von Rand McNally, auf dem die geografische und politische Erdrepräsentation basiert, ist aufgrund der folgenden weltgeschichtlichen Turbulenzen rasch veraltet. Allerdings wird dessen Aktualisierung oft genug verpasst, um den ursprünglichen Stand schon 1966 zum historischen Dokument erklären (und so für immer einfrieren) zu können. – Johannes Ullmaier

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: 360°, Bauwerk, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, Draufblick, faktual, Gesamtprojektion, geschlossen, Globus, Karte, Kugel, Medialpanoramatik, Organisation, Rundbau, schematisch, symbolisch, Technik, Unterhaltung, Weltkarte, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation