1336 – Petrarca auf dem Mont Ventoux


Obschon weder genau zu datieren noch überhaupt zu belegen, ist die Ersteigung des ca. 1900 m hohen provenzalischen Bergs durch den italienischen Dichter und Gelehrten, von der er in einem auf den 26. April 1336 datierten, doch erst Jahrzehnte später veröffentlichten Brief an seinen Gelehrtenfreund Francesco Dionigi berichtet, vielfach als Beginn der Renaissance, der Neuzeit, des ästhetischen Blicks oder der Individualität interpretiert worden. Über seinen ersten Gipfeleindruck schreibt er: „Zuerst stand ich, durch den ungewohnten Hauch der Luft und die ganz freie Rundsicht bewegt, einem Betäubten gleich da. Ich schaute zurück nach unten.“ (Petrarca, Die Besteigung des Mont Ventoux [1336], S. 17). Statt ausgiebiger Naturbeschreibungen folgen indes Vergleichsassoziationen zu ihm aus antiken Texten geläufigen Bergen, dann ein sehnsuchtsvoller Blick in Richtung seiner italienischen Heimat sowie ein längerer Rückblick auf das eigene Leben. Nach einer kurzen Beschreibung der umliegenden Geografie (vgl. Petrarca, Die Besteigung des Mont Ventoux [1336], S. 23) beginnt er auf dem Gipfel Augustinus zu lesen, wo er unversehens auf eine Stelle trifft, die vor dem Selbstverlust durch die Bewunderung der „Höhen der Berge“, des „Ozeans Umlauf[s]“ oder der „Kreisbahnen der Gestirne“ warnt. Ähnlich wie bei der Gipfelbesteigung von König Philipp, aus deren Schilderung bei Livius Petrarca anfangs das „ungestüme Verlangen“ (Petrarca, Die Besteigung des Mont Ventoux [1336], S. 7) zu seinem Aufstieg bezieht, bleiben sowohl die Faktenlage wie der panoramatische Ertrag geheimnisvoll im Nebel. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Petrarca, Francesco: Die Besteigung des Mont Ventoux [1336], Stuttgart: Reclam 1995
  • Wurm, Christoph: „Bergtour mit Augustinus. Petrarca auf dem Mont Ventoux“. In: Forum Classicum. Zeitschrift für die Fächer Latein und Griechisch an Schulen und Universitären 4 (2019), S. 252–257

Weblinks:

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Schlagwörter: Ästhetik, Didaktik, Draufblick, faktual, Fernblick, Inhaltspanoramatik, Mythos/Religion, Naturpanorama, Panorama-Beschreibung, Realpanoramatik, symbolisch, Text, textuell, visuell, Zugleichspräsentation

1307–1320 – Dante, La divina commedia


Das von formaler Strenge in Zahl und Maß geprägte epische Großgedicht des italienischen Dichters Dante Alighieri (1265–1321) umfasst 14.000 Verse. Vom Ende her wird dort die Geschichte des nach einer Verirrung im Wald die drei Jenseitsreiche durchschreitenden Wanderers Dante erzählt. Dieser beginnt am Karfreitag des Jahres 1300 mitten in einer Schaffenskrise einen Großparcours, der ihn bis zum tiefsten Punkt der Hölle und dann wieder hinauf bis ins Paradies führt, wo ihn Gott und seine unerreichte Liebe Beatrice empfangen. In einer laufpanoramatischen Bewegung von unten nach oben erkundet das erinnerte Ich zusammen mit dem Dichter Vergil als zeitweiligem Lotsen zunächst die Vor- und die eigentliche Hölle (inferno), die neun Kreise enthält und einem Trichter ähnelt. Danach wird der aus acht Terrassen bestehende Läuterungsberg bzw. das Fegefeuer (purgatorio) beschritten. Dieser Pfad führt – zunehmend lichtvoll – immer näher zum Himmelreich (paradiso), das Dante schließlich erreicht. Es besteht aus neun Himmelssphären und wird vom empyreum gekrönt, in dem sich die Schar der geretteten Seelen tummelt. Mit Dantes Bitte um die Gnade, die Trinität sehen zu dürfen, und der darauffolgenden Gottesschau finden sowohl das Gedicht als auch die Schaffenskrise des geläuterten Dichters ihr Ende. Nicht nur aufgrund der formalen Struktur und Handlungsanlage als Lauf durch alle Transzendenzregionen, sondern auch inhaltlich zeigt die divina commedia einen panoramatischen Zug, insofern in ihr zahlreiche bekannte Figuren unterschiedlicher Seinsmodi und Epochen auftreten und alle wesentlichen Glaubenssätze und Debatten der Zeit umfassend diskutiert werden. – Nina Cullmann

Literatur / Quellen:

  • Dante Alighieri: La Commedia secondo l’antica vulgata, Florenz: Le Lettere 1994
  • La Salvia, Andrian: „Dante Alighieri“. In: Metzler Lexikon Weltliteratur, hg. von Axel Ruckaberle, Stuttgart: J. B. Metzler 2006, S. 351–354, S. 351–354

Weblinks:

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Schlagwörter: Ästhetik, Buch, Didaktik, Ekphrasis, fiktional, geordnet, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Idealpanoramatik, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Mythos/Religion, panoramatische Erzählung, symbolisch, Text, textuell, Unterhaltung

ca. 1260–1275 – Albrecht, Weltspiegel im Jüngeren Titurel

Über das Leben und Werk des deutschen Dichters Albrecht, der den Gralsroman Jüngerer Titurel gedichtet hat, ist wenig bekannt. Man weiß aber, dass das Epos, das als Ergänzung zu Wolframs Titurel-Fragmenten entstand, ungefähr in der zweiten Hälfte des 13. Jh. geschrieben wurde. Gegen Ende des Jüngeren Titurels (Str. 6244–6247) beschreibt Albrecht einen Weltspiegel, der im Palast des legendären Priesterkönigs Johannes steht. Er befindet sich am oberen Ende einer architektonisch komplexen Säule im Zentrum des Hofes und zeigt, wer „sich irgendwo in einer der Provinzen mit Haß gegen den König stellt“ (Jüngerer Titurel, Str. 6245,2b–6246,3, in Übersetzung von Störmer-Caysa). Außerdem bildet der Spiegel nichts ab: weder Landschaft noch die Menschen, die für den Monarchen gefahrlos sind. Und sobald die Schuld des Feindes getilgt wird, verschwindet dieser wieder aus dem Spiegel. Dadurch ist er sehr eng mit der Figur des Königs verbunden, zumal dieser sich die meiste Zeit in seiner Nähe befindet. Der Weltspiegel ist in dem Sinne panoramatisch, dass sein Erfassungsradius nicht begrenzt ist: Er kann sowohl geographisch alle Provinzen überschauen als auch in den Verstand eines Menschen dringen. Seine magischen Fähigkeiten dienen aber ausschließlich der Sicherung der Macht des Priesterkönigs. Aus der Beschreibung des Spiegels entsteht eine markante Spannung zwischen dem Wahrnehmen und dem Zeigen: der Spiegel soll einen Zugriff zu den Gedanken aller Menschen in allen Provinzen haben, um zu verstehen, wer Feind ist und wer nicht. Jedoch zeigt er dem Herrscher nur das Ergebnis seiner Untersuchung, nur die Menschen, die er als Feinde klassifiziert hat. – Sofya Sinelnikova

Literatur / Quellen:

  • Störmer-Caysa, Uta: „Übersicht und Einsicht. Wundersäulen und Weltspiegel in mittelalterlichen Texten“. In: Alles im Blick. Perspektiven einer intermedialen Panoramatik, hg. von Roman Mauer, Johannes Ullmaier, und Clara Wörsdörfer, Wiesbaden: Springer 2025, S. 109–144.
  • Albrecht von Scharfenberg: Jüngerer Titurel. Nach den ältesten und besten Handschriften kritisch herausgegeben von Werner Wolf (Bd. 1–2) und Kurt Nyholm (Bd. 3-4), Berlin: Akademie-Verlag 1955.

Weblinks:

🖙 Albrecht (Jüngerer Titurel)

Schlagwörter: Ästhetik, Bauwerk, Blicktransparenz, Buch, Fernblick, fiktional, Konzept/Idee, Medientechnik, mimetisch, Mythos/Religion, Rundbau, symbolisch, Text, textuell, Überwachung, visuell, Wissenschaft, Zugriffspräsentation

ca. 900–999 – Josua-Rolle


Die im 10. Jahrhundert in Konstantinopel entstandene Schriftrolle zeigt auf 27 Bildern das Leben Josuas. Sie wird der kaiserlich-byzantinischen Hofschule, womöglich Konstantin VII., zugeordnet. Die 10 m lange Schrift befindet sich heute als Cod. Vat. Palat. gr. 431 in der Biblioteca Apostolica Vaticana. Es handelt sich um eine hagiografische Übersicht zum Leben Josuas zwischen Tableau und Laufrolle. Obwohl die Grisaillien von mehreren Händen erstellt wurden, ergeben sie eine zusammenhängende Erzählung. Ungewöhnlich ist, dass dieses Werk der byzantinischen Kunst auf die Form der antiken Schriftrolle zurückgreift und nicht als Codex umgesetzt wurde. Durch die Art der Präsentation ergibt sich ein panoramatischer Lebensüberblick. Zudem gehen die Szenen z. T. fließend ineinander über und zeigen mit Himmelskörpern Tag- und Nachtwechsel an. – Antje Schilling

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Schlagwörter: (Aus-)Faltung, Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Denkmal, Didaktik, Draufblick, fiktional, geordnet, Gesamtprojektion, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, Panoramabild, Rahmenexpansion, schematisch, symbolisch, Text, textuell, Überbreite, Unterhaltung, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

ca. 630 – Isidor von Sevilla, Etymologiae sive Origines


In der Abtei von Sevilla, im westgotischen Reich rund um Toledo, stellt Isidor das gesamte verfügbare Wissen seiner Zeit in dem „Grundbuch des ganzen Mittelalters“ zusammen, das „nicht nur den Wissensbestand für acht Jahrhunderte gültig festgelegt, sondern auch deren Denkform geprägt“ hat (Curtius, Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter, S. 487). Die zwanzig Bücher des Kompendiums umfassen neben den sieben artes liberales auch die verschiedensten ‚unfreien‘ Wissenschaften und Handwerke, die mit der Verfertigung von Gebrauchsgegenständen und vielen anderen alltagsrelevanten Dingen befasst sind: Medizin, Theologie, Baukunst, Landwirtschaft usw. Die Enzyklopädie trägt den, wenngleich nicht auktorial verbürgten, Titel Etymologiae zurecht, weil das etymologische Verfahren das gesamte Wissen organisiert. Leitende Prämisse: Kann man den Ursprung der Wörter erklären, so versteht man auch den der mit ihnen bezeichneten Sachen. Der Überblick über das Ganze der Sprache ist damit eo ipso auch einer über das Ganze der Welt. – Robert Stockhammer

Literatur / Quellen:

  • Curtius, Ernst Robert: Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter, 11. Aufl., Tübingen/Basel: Francke 1993
  • Isidor von Sevilla: Etymologiae sive Origines. Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, Wiesbaden: Marix 2008
Schlagwörter: Ästhetik, Buch, Didaktik, Enzyklopädie, faktual, Gesamtkompendium, Medialpanoramatik, Mythos/Religion, Organisation, schematisch, symbolisch, Technik, Text, textuell, Zugriffspräsentation

549 – Apsis von Sant’Apollinare in Classe bei Ravenna


Rundbild und Halbkuppel-Bild mit himmlischem Paradies und biblischen Szenen. Frühes Beispiel prä-immersiver und prä-panoramatischer Kircheninnenraumgestaltung. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Berger, Klaus/Beinert, Wolfgang/Wetzel, Christoph u. a.: Bilder des Himmels. Die Geschichte des Jenseits von der Bibel bis zur Gegenwart, Freiburg i. B.: Herder 2006, S. 86

Weblinks:

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🖙 Innenansicht

Schlagwörter: Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, Gemälderundbau, Großtableau, Halbkugel, Halbrundband, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, Panoramabild, Rundbau, Rundbild, symbolisch, Unterhaltung, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation

ca. 510 – Negative Theologie des Pseudo-Dionysius Areopagita

Ausgehend von einer absoluten Transzendenz Gottes entwickelt Pseudo-Dionysius in seiner Schrift De mystica theologia eine apophatische Theologie, deren radiakle All-(Ursachen-)Verneinung innerhalb der abendländischen Geistesgeschichte einen Extrempol ‚negativer Panoramatik‘ markiert. Dabei nimmt der Grieche zunächst die Offenbarung und deren affirmative Beschreibungen Gottes in den Blick – hier gelangt er zu der Erkenntnis, die Namen und Attribute Gottes innerhalb der Heiligen Schrift charakterisierten lediglich sein Wirken, nicht aber sein Wesen. Diese Zuschreibungen würden der absoluten Transzendenz Gottes nicht gerecht, vielmehr sei die Verneinungen als Methode geeigneter als die Attribuierung, um das Wesen des Schöpfers zu beschreiben respektive sich ihm anzunähern.

Im vierten Kapitel widmet sich Pseudo-Dionysius der Unmöglichkeit, Gott sinnlich zu erkennen, und stellt den Grundsatz auf, dass „die Allursache […] weder wesenlos noch leblos, weder sprachlos noch vernunftlos ist“ (Areopagita, Mystische Theologie, 79 / 1040,1 D). Daran schließt er weitere Negationen an und verdeutlicht, dass Gott weder „sinnlich wahrgenommen“ (79) würde noch überhaupt mittels der Sinne erfassbar sei. Schlussendlich seien alle perzeptiven Annahmen über die Allursache im Grundsatz ungeeignet. Im fünften Kapitel weitet Pseudo-Dionysius dies auf Formen der intelligiblen Erkenntnis aus. Gott sei „weder Seele […] noch Geist“ (79) und könne somit weder „ausgesagt noch gedacht“ werden. Dem menschlichen Geist sei es, insbesondere wegen seiner Eigenart, in Oppositionen zu denken, unmöglich, die Allursache zu begreifen.

Sowohl die selbstreflexive doppelte Negation im Bereich des Sinnlichen als auch die scheinbar widersprüchlichen Verneinungen von Gegensätzen im Kontext der geistigen Erkenntnis verdeutlichen die Unbegreifbarkeit des Göttlichen. So entziehe sich die Allursache „jeder (Wesens-) Bestimmung, Benennung und Erkenntnis“ (80), schließlich entziehe sie sich aufgrund ihrer Unbestimmtheit jedweder Form der Bestimmung. Auch die Negation scheitert notwendigerweise an der Bestimmung Gottes, sodass die einzige Möglichkeit zur Annäherung an Gott eine infinite apophatische Theologie bleibt, die dennoch niemals zu einer Erkenntnis über die Allursache gelangen kann, da die Beschreibungsversuche spätestens dann enden müssen, wenn die Sprache an ihre Grenzen stößt und erlischt. Die hier früh formulierte Idee einer letztlich prinzipiell vergeblichen, in einem approximativen Prozess aber de facto doch relativ weitreichend zu bewerkstelligenden All-Annäherung ist auch mit Blick auf die Entwicklung und Verlaufsform medialer All-Präsentationsversuche vielfach und bis heute aufschlussreich. – Niclas Stahlhofen

Literatur / Quellen:

  • Pseudo-Dionysius Areopagita: Über die mystische Theologie und Briefe. Übers. V. Adolf Martin Ritter. Stuttgart: Hiersemann 1994.
  • Pöpperl, Christian: Auf der Schwelle. Ästhetik des Erhabenen und negative Theologie. Pseudo-Dionysius Areopagita, Immanuel Kant und Jean-Francois Lyotard, Würzburg: Königshausen & Neumann 2007.
  • Suchla, Beate Regina: Dionysius. Leben – Werk – Wirkung, Freiburg: Herder 2008.

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🖙 Wikipedia: Negative Theologie

Schlagwörter: Ästhetik, Buch, Gesamtprojektion, Idealpanoramatik, Konzept/Idee, Mythos/Religion, symbolisch, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Wissenschaft

305 – Das Eine in Plotins Enneaden

Grundlegend für Plotins Philosophie ist das System der drei Hypostasen, in dem der Philosoph eine hierarchische Gesamtordnung allen Seins anlegt. Dabei ist im Grundsatz zwischen der physischen Welt, die alle sinnlich erfahrbare Materie umfasst und auf der niedrigsten Ebene angesiedelt ist, sowie dem geistigen Bereich zu unterscheiden. Letzterer gliedert sich in die Seele, den Geist (nous) und das Eine. Während die Seele innerhalb der unmittelbaren Erfahrungswelt agiert, steht der nous in der Tradition der platonischen Ideenlehre und ist zur höchsten Form der intelligiblen Erkenntnis fähig. Der Geist erkennt sämtliche Formen und darüber hinaus auch sich selbst. Hierin sieht der Gelehrte eine Problematik, denn innerhalb des Erkenntnisprozesses sei im Mindesten die „Zweiheit“ (Plotin, Schriften, V 6 [24],1) von „Gedachte[m] und Denkende[m]“ (V 6 [24],1) enthalten. Diese Vielfalt muss nach Plotin durch eine Einheit „zusammengehalten“ (VI 9 [2]) werden. Da die Pluralität andernfalls nicht stabil sei, wird dieses Eine als Einheit und Allursache allen Seins vorausgesetzt. Es existiert „jenseits des Seins und des Erkennens“ (VI 8 [39],16). Aus diesem Urgrund gehen alle anderen Instanzen des hypostatischen Modells hervor, denn nach Plotin „würde ja überhaupt kein Ding existieren[,] wenn das Eine bei sich stehen bliebe und es gäbe nicht die Vielfalt unserer Erdendinge“.

Nun stellt sich die Frage, wie jenes „Einfachste von allen Wesen“ (V 3 [13]) gedacht oder beschrieben werden könnte. Hier entwickelt Plotin eine negative Theologie, indem er darauf hinweist, dass positive Aussagen über das Eine nicht zulässig seien. So identifiziert Plotin die Allursache zwar mit dem Guten, doch sieht er in einer Kopula wie ‚Gott ist gut‘ bereits eine Zweiheit und Komplexität angelegt, die der Einheit des Einen widerspreche. Ergo kann das Eine nur durch das, „was es nicht ist“ (Gertz, Plotinos 990), verständlich gemacht werden. Plotin resümiert: „Somit haben wir es, daß wir wohl über es, nicht aber es aussagen können. Wir sagen ja aus, was es nicht ist; und was es ist, das sagen wir nicht aus“ (V 3 [49],14). Diese Unbeschreibbarkeit resultiert aus der Tatsache, dass der Geist die Allursache lediglich „von den Dingen aus, die später sind als es“ (V 3 [49],14), zu erkennen vermag. In der weiteren neuplatonischen Tradition arbeitet Pseudo-Dionysius Areopagita den Ansatz einer negative Theologie – von den Enneaden ausgehend – in einer Weise aus, die insbesondere hinsichtlich des transzendenten Einen und den daraus folgenden erkenntnistheoretischen Problemen Parallelen zu Plotin aufweist. Doch schon bei diesem ist die fundamentale Dialektik von Allbegriff und Allentfaltung eindringlich beschrieben. – Niclas Stahlhofen

Literatur / Quellen:

  • Plotinus: Plotins Schriften. Übers. v. Richard Harder, neubearb. m. griech. Lesetext u. Anm. fortgeführt v. Rudolf Beutler u. Willy Theiler. 6 Bde (in 11 Teilbd.). Hamburg: Meiner 1956–1971.
  • Gertz, Sebastian: „Plotinos“. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Bd. 17, Stuttgart: Hiersemann 2016, S. 988–1009.
  • Halfwassen, Jens: Plotin und der Neuplatonismus, München: Beck 2004.
  • Tornau, Christian (Hg.): Plotin Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart: Metzler 2024.
  • Tornau, Christian: Plotin Enneaden VI 4–5 [22–23]. Ein Kommentar, Stuttgart & Leipzig: Teubner 1998.

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112–113 – Trajanssäule


35 m hohe Ehrensäule von 3,7 m Durchmesser für den römischen Kaiser Trajan (98–117). Auf deren 190 m langem Schraubenreliefband sind in 23 Rundwindungen wimmelbildartige Szenen aus zwei zeitgenössischen Eroberungsfeldzügen gegen die Daker in rahmenlos fortlaufender Aufwärts-Chronologie dargestellt. In seinem monumentalen Selbstverherrlichungs-Panorama erscheint Trajan unter den insgesamt etwa 2500 Figuren selbst 58 mal, mithin teils mehrfach zugleich. Anstelle der den Säulengipfel ursprünglich zusätzlich krönenden Trajanstatue steht seit 1587 eine Bronzestatue des Apostels Petrus. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Mithoff, Fritz/Schörner, Günther (Hgg.): Columna Traiani – Trajanssäule. Siegesmonument und Kriegsbericht in Bildern. Beiträge der Tagung in Wien anlässlich des 1900. Jahrestages der Einweihung, 9.–12. Mai 2013, Wien: Holzhausen 2017
  • Stefan, Alexandre Simon (Hg.): Die Trajanssäule. Dargestellt anhand der 1862 für Napoleon III. gefertigten Fotografien. Mit einem Beitrag von Hélène Chew, Darmstadt: wbg / Philipp von Zabern 2020

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Schlagwörter: (Aus-)Faltung, Ästhetik, Bauwerk, Bild, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, faktual, fiktional, geordnet, Gesamtprojektion, Großtableau, haptisch, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, offen, Rahmenexpansion, Rundbau, schematisch, Schraubenband, Skulptur, Überbreite, Wimmelbild, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

ca. 8 – Argus in Ovids Metamorphosen

Im ersten Buch von Ovids Metamorphosen wird Argus, Sohn Arestors, als Bewacher der Io eingeführt. Sein Haupt ist von hundert Augen bedeckt, die sich abwechselnd ausruhen und Wache halten, sodass ihm nichts entgehen kann und er zum ultimativen Wächter wird. Nach seiner Ermordung durch Merkur im Auftrag Jupiters werden seine Augen laut der Metamorphose in das Gefieder des Pfaus eingesetzt. Das Pfauenaugenmotiv läuft seither durch die Kunstgeschichte, prominent etwa bei Peter Paul Rubens (1610) oder Salvador Dalí, der das Bild im Zuge der Suite Mythologie 1963/65 radiert und koloriert. – Lea Müller

Literatur / Quellen:

  • Ovid: Metamorphosen, Stuttgart: Reclam 1994, Buch I, V 568–688
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Schlagwörter: 360°, Allwahrnehmung, Ästhetik, Didaktik, fiktional, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, Rahmenexpansion, Realpanoramatik, Text, textuell, Überbreite, Überwachung, Unterhaltung, visuell, Zentralblickpunkt, Zugleichspräsentation