
Nach Auftrag des Gründers des Deutschen Museums Oskar von Miller entwickelt die Jenaer Optikfirma Zeiss ein Gerät, mit dem die Bewegungen der Sonne, des Mondes, der Planeten und der Sterne gleichzeitig abgebildet werden können. Am 7. Mai 1925 geht nach 12-jähriger Entwicklungsphase das weltweit erste Projektionsplanetarium in Betrieb, das den Aufbau und die Mobilität des Sternenhimmels veranschaulicht. In der Münchner Kuppel sind zur Eröffnung 4500 Sterne zu sehen. – Maureen Seyfarth
1920 – Jewgenij Samjatin, Wir
Im Jahr 1920 verfasst und infolge der rigorosen sowjetischen Zensur erst 1924 und nur im Tamizdat publiziert, schildert der dystopische Roman des russischen Schriftstellers Jewgenij Iwanowitsch Samjatin (1884–1937) ein aus technischem Fortschritt und damit einhergehendem Machbarkeitswahn resultierendes Gesellschaftssystem des entindividualisierenden Totalitarismus. Von der Außenwelt durch eine Mauer getrennt, führen die Bewohner ein in allen, auch privaten, Belangen minutiös reglementiertes Leben als Nummern und in einheitlichen Uniformen. Sie leben in kubischen Wohnblöcken aus Glas, deren Transparenz sie allseits diszipliniert. Samjatins extrapolierende Überzeichnung der zeitgenössischen Sowjetdiktatur nimmt in der Diegese auch deren Zusammenbruch vorweg, wodurch sie zugleich zur allgemeinen Allegorie auf die panoptische Hybris des Menschen wird. Samjatins Werk inspiriert in der Folge maßgeblich heute bekanntere Dystopien wie Aldous Huxleys Brave New World (1932) und George Orwells 1984 (1949). – Violetta Xynopoulou
Literatur / Quellen:
- Leucht, Robert: Dynamiken politischer Imagination. Die deutschsprachige Utopie von Stifter bis Döblin in ihren internationalen Kontexten 1848–1930, Berlin/Boston: De Gruyter 2016
- Samjatin, Jewgenij: Wir [1920/24], Köln: Kiepenheuer & Witsch 1958
- Schneider, Manfred: Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche, Berlin: Matthes & Seitz 2013, S. 253–256
Weblinks:
1914 – Bruno Taut, Glaspavillon auf der Kölner Werkbund-Ausstellung

Der (zerstörte) Pavillon der Deutschen Glasindustrie, den Taut zur Kölner Werkbundausstellung 1914 beisteuert, steht hier repräsentativ für den moderne-utopischen Impuls zu einer all-durchsichtigen Architektur und Lebensweise insgesamt, wie sie im selben Jahr in Paul Scheerbarts Essay Glasarchitektur programmatisch entworfen wird. Gegen Ende heißt es darin: „Nach dem Gesagten können wir wohl von einer ‚Glaskultur‘ sprechen. Das neue Glasmilieu wird den Menschen vollkommen umwandeln.“ (Scheerbart, Glasarchitektur, S. 125). – Johannes Ullmaier
Literatur / Quellen:
- Scheerbart, Paul: Glasarchitektur [1914], Berlin: Gebr. Mann 2000
- Thiekötter, Angelika: „Kristallisationen, Splitterungen. Bruno Tauts Glashaus“. In: Kristallisationen, Splitterungen. Bruno Tauts Glashaus, Ausst.-Kat. Berlin, Werkbund-Archiv, hg. von Oliver Bätz, Basel/Berlin/Boston: Birkhäuser 1993
- Schneider, Manfred: Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche, Berlin: Matthes & Seitz 2013, S. 191–207
Weblinks:
1913 – Telefon-Splitscreen in Suspense
Der Kurzfilm Suspense (USA 1913, R: Lois Weber/Phillips Smalley) gilt als frühes Beispiel für die innovative Verwendung eines Splitscreens im Film. Die filmische Form multipler Rahmung hat bildstatische Vorläufer in den Diptychen, Triptychen und Polyptychen der mittelalterlichen Tafelbildmalerei. Während der spannungsgetriebenen Erzählung des Films inszeniert dieser zwei Telefonate anhand eines dreigeteilten Bildes. Während die Ehefrau ihren Mann am Telefon um Hilfe ruft, sieht man im dritten Bild den Einbrecher an der Tür. Die Inszenierung des Telefonats im Splitscreen setzt sich bereits in den 1900er- und 1910er-Jahren im Stummfilm durch und ermöglicht die gleichzeitige Darstellung von räumlich getrennten Ereignissen. Der Splitscreen kann als Reaktion auf mediale technische Veränderungen betrachtet werden: das Telefonat (frühe Stummfilmzeit), das Fernsehen (1960er) und die Digitalisierung/das Internet (seit den 1990ern). – Kaim Bozkurt
Literatur / Quellen:
- Hagener, Malte: „The Aesthetics of Displays: How the Split Screen Remediates Other Media“. In: Refractory. A Journal of Entertainment Media 14 (2008)
Weblinks:
1913 – Jahresbuchkompendium Das Jahr 1913
Kollektives Monumentalunternehmen mit dem Ziel, einen jahresbezogenen Gesamtüberblick zur kulturellen Entwicklungslage des Wilhelminischen Deutschlands quer durch alle Wissens- und Lebenssphären zeitgleich zu erstellen. Als über 500-seitiger großformatiger Sammelband aus themenbezogenen Einzelbeiträgen teils namhafter Autoren kumuliert, erscheint das im Impressum auf 1913 datierte Buch de facto 1914. Obschon laut Vorwort auch fürs Folgejahr geplant, bleibt diese Form von eigenpanoramatischer Epochengegenwartsschau infolge des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs ein singulärer Fall. – Johannes Ullmaier
Literatur / Quellen:
- Sarason, David (Hg.): Das Jahr 1913 [1914], Leipzig/Berlin: B. G. Teubner 1913
- Hübinger, Gangolf: „Das Jahr 1913 in Geschichte und Gegenwart. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt“. In: Das Internationale Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 38 (2013), H. 1, S. 172–190, S. 178–188
1909 – Robert Delaunay, , Bildserie Tour Eiffel

In einer Vielzahl variierender Anläufe versucht der französische Maler Robert Delaunay, eine bild-künstlerische 2D-Allansicht des Eiffelturms zu kreieren, die dem panoramatischen Potenzial des Sujets entspricht. Die in den Jahren 1909 bis 1912 und 1920 bis 1928 entstehenden Bilder sind dem mit seiner Frau Sonia Delaunay-Terk begründeten Orphischen Kubismus zuzuordnen und zeigen das Bauwerk stets aus mehreren Blickwinkeln zugleich. – Sarah Karsten | Johannes Ullmaier
Literatur / Quellen:
- Delaunay, Robert/Apollinaire, Guillaume: Les Tours Eiffel de Robert Delaunay, Paris/Brüssel: Jacques Damase 1974
Weblinks:
1900 – Maréorama

Im Jahr 1900 stellt der Maler und Ingenieur Hugo d’Alési bei der Weltausstellung in Paris das Maréorama vor. Dabei begibt sich das Publikum auf das Deck einer Dampfschiffskonstruktion, welche die Wellenbewegung des Meeres imitieren und so eine halbstündige Schiffsfahrt über das Mittelmeer simulieren soll. Für die Illusion der Reise werden Leinwände, auf denen Küstenlandschaften zu sehen sind, am Publikum mechanisch vorbeigezogen und dazu Meeresgerüche versprüht. Ein Orchester unter dem Deck spielt eine eigens komponierte Begleitmusik. Der Höhepunkt ist ein mit Lichteffekten und der Mechanik der Schiffsbühne nachgestellter Sturm. Auch einen Sonnenaufgang und -untergang erleben die 1500 Zuschauer:innen, die für eine Aufführung auf dem Schiff Platz finden. Aufgrund seiner multisensorischen Ausstattung, die möglichst alle Sinne des Publikums ansprechen soll, lässt sich das Maréorama als Vorläufer des Expanded Cinema einordnen. – Johannes Noss
Literatur / Quellen:
- Barbosa, Sonsoles Hernández: „The 1900 World’s Fair or the Attraction of the Senses. The Case of the Maréorama“. In: The Senses & Society 10 (2015), H. 1, S. 39–51, S. 39–51
Weblinks:
1900 – 360°-Filmsystem: Cinéorama
Inspiriert von den Großpanoramen der Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts arbeitet der französische Filmpionier Raoul Grimoin-Sanson bereits seit 1896 am ersten zylindrischen 360°-Multikamera- und -Multiprojektoren-System: dem Cinéorama. Laut seiner Autobiografie kommt das filmische Großpanorama erstmals im Zuge der Pariser Weltausstellung am 8. Mai 1900 zur Vorführung. Die Aufnahmen dafür entstehen durch eine Konstruktion aus zehn 70 mm-Kameras, die sternförmig auf einer runden Holzplatte befestigt werden und per Handkurbel synchron gestartet werden können. Das in Europa und Nordafrika gedrehte Filmmaterial inszeniert einen Flug über Landschaften und Paris. Für die Aufführung wird unmittelbar unter dem Eiffelturm das Cinéorama-Kino als Rundbau mit 30 m Durchmesser erbaut. Zehn Projektoren, die in einem zentralen Betonzylinder mit 5 m Durchmesser fixiert sind, sollen auf die kreisrunde Leinwand des Saals von 9 m Höhe projizieren. Die Zuschauerplattform für 200 stehende Gäste befindet sich oberhalb des Projektionsraums. Um die Illusion zu intensivieren, wird sie als Ballongondel gestaltet und schwebend von der unteren Seite einer Ballonhülle überdacht. Die technische Errungenschaft des Systems wäre die Synchronisierung der Kameras und der Projektoren gewesen. Aber die aktuelle Forschung zweifelt mangels historischer Belege daran, dass es damals wirklich zu einer Vorführung des Cinéorama-360°-Filmsystems gekommen ist. Einige nachfolgende Versuche, im 20. Jahrhundert Bewegtbildpanoramen durch 360°-Dispositive zu erzeugen, orientieren sich jedoch am zylindrischen Konzept und der Idee Grimoin-Sansons. – Kaim Bozkurt
Literatur / Quellen:
- Kiessling, Maren: „Domografie. Visuelle Narration im Fulldome“. In: CINEMA 63 (2018), S. 98–112, S. 98–112
- Grimoin-Sanson 1897((fehlt in der Bibliografie))
Weblinks:
1895 – Entdeckung der Röntgenstrahlen

Am 8. November 1895 entdeckt Wilhelm Conrad Röntgen die Strahlung, die im deutschen Sprachraum bald nach ihm benannt wird. Sie kann Materie durchdringen. Stoffe sind unterschiedlich durchlässig, sodass die Röntgenstrahlen unterschiedlich stark durchkommen. Durch die variierende Stärke des Durchkommens können die Strahlen zur Bilderzeugung genutzt werden, zum Beispiel am menschlichen Körper, dessen Knochen eine höhere Dichte aufweisen als seine Organe. Bei modernen Geräten können auch letztere abgebildet werden. Der Einsatz von Röntgenstrahlen zur therapeutischen Behandlung von Hautkrankheiten beginnt 1896. – Lea-Sophie Dettmann
Literatur / Quellen:
- Busch, Uwe/Rosendahl, Wilfried (Hgg.): Die Welt im Durchblick. Wunder moderner Röntgentechnik, Darmstadt: WBG/Theiss 2019
Weblinks:
1889 – Eiffelturm

Von Gustave Eiffel in Paris, Champs des Mars, für die Weltausstellung erbautes Wahrzeichen zur Erinnerung an den 100. Jahrestag der Französischen Revolution. Die Aussichtsplattformen der drei Ebenen des 324 m hohen Bauwerks bieten einen Panoramablick auf die Metropole. Die höchste Aussichtsplattform befindet sich in 276,13 m Höhe. Die im vorangegangenen Ausschreibungswettbewerb gegen Eiffels Entwurf unterlegene Alternative von Jules Bourdais, der 1876 den Trocadéro-Palast erbaut hatte, wäre als elektrischer Leuchtturm (Colonne Soleil), der die Stadt auch nachts von oben her hätte erhellen und ausleuchten sollen, unter panoptischen Gesichtspunkten noch spektakulärer gewesen. – Sarah Karsten | Johannes Ullmaier
Literatur / Quellen:
- Heinle, Erwin/Leonhardt, Fritz: Türme aller Zeiten – aller Kulturen, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1988, S. 214–220
- Lemoine, Bertrand: Gustave Eiffel. The Eiffel Tower. The Three-Hundred-Metre Tower, Köln: Taschen 2021