1925 – Gesamtkatalog der Wiegendrucke

1925 auf Betreiben Friedrich Althoffs an der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedeltes Projekt zur retrospektiven Erfassung aller im 15. Jahrhundert gefertigten Druckwerke, sogenannter Wiegendrucke bzw. Inkunabeln. Ursprünglich beim Anton Hiersemann Verlag in Leipzig als Print-Edition erschienen, ist der Katalog seit 2009 zusätzlich als Online-Datenbank abrufbar. Seither wird er konsequent aktualisiert und liegt so – stellvertretend für alle kumulativ gepflegten Gesamtverzeichnisunternehmungen – stets zugleich in je aktuell umfassender und doch vorläufiger Gestalt vor. Die 24 Printbände bieten über 50.000 alphabetisch sortierte Einträge, die folgendem Schema folgen: 1) bibliografische Angaben; 2) Auskunft zur Kollation; 3) Beschreibung des Textinhalts mit Übernahme des von Ludwig Hain im Repertorium bibliographicum entworfenen Konzepts der Wiedergabe von Incipit und Explicit; 4) Quellen- und Exemplarnachweise. Programmatisch erstrebt das Werk eine Kompletterfassung aller frühen Realisationen einer welthistorisch bedeutsamen Erfindung in einem begrenzten Zeitraum, für den das im Unterschied zu späteren noch möglich scheint. – Gabryel Greco

Literatur / Quellen:

  • Deutsche Staatsbibliothek zu Berlin 1968–2021 ((fehlt in der Bibliografie))

Weblinks:

🖙 Wikipedia
🖙 Online-Datenbank

Schlagwörter: Buch, Denkmal, Didaktik, faktual, geordnet, Gesamtkompendium, Idealpanoramatik, Medialpanoramatik, offen, schematisch, Speicher, symbolisch, Text, textuell, Wissenschaft, Zugriffspräsentation

1920 – Jewgenij Samjatin, Wir

Im Jahr 1920 verfasst und infolge der rigorosen sowjetischen Zensur erst 1924 und nur im Tamizdat publiziert, schildert der dystopische Roman des russischen Schriftstellers Jewgenij Iwanowitsch Samjatin (1884–1937) ein aus technischem Fortschritt und damit einhergehendem Machbarkeitswahn resultierendes Gesellschaftssystem des entindividualisierenden Totalitarismus. Von der Außenwelt durch eine Mauer getrennt, führen die Bewohner ein in allen, auch privaten, Belangen minutiös reglementiertes Leben als Nummern und in einheitlichen Uniformen. Sie leben in kubischen Wohnblöcken aus Glas, deren Transparenz sie allseits diszipliniert. Samjatins extrapolierende Überzeichnung der zeitgenössischen Sowjetdiktatur nimmt in der Diegese auch deren Zusammenbruch vorweg, wodurch sie zugleich zur allgemeinen Allegorie auf die panoptische Hybris des Menschen wird. Samjatins Werk inspiriert in der Folge maßgeblich heute bekanntere Dystopien wie Aldous Huxleys Brave New World (1932) und George Orwells 1984 (1949). – Violetta Xynopoulou

Literatur / Quellen:

  • Leucht, Robert: Dynamiken politischer Imagination. Die deutschsprachige Utopie von Stifter bis Döblin in ihren internationalen Kontexten 1848–1930, Berlin/Boston: De Gruyter 2016
  • Samjatin, Jewgenij: Wir [1920/24], Köln: Kiepenheuer & Witsch 1958
  • Schneider, Manfred: Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche, Berlin: Matthes & Seitz 2013, S. 253–256

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Allwahrnehmung, Ästhetik, Blicktransparenz, Buch, Didaktik, fiktional, Gesamtprojektion, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Organisation, Realpanoramatik, symbolisch, Technik, Text, textuell, Überwachung, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, visuell, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

1904 – Kurd Laßwitz, Die Universalbibliothek

Dialogerzählung des Physikers und Mehrwelten-Sci-Fi-Pioniers (Auf zwei Planeten, 1897), in der das vielfach präfigurierte Konzept einer Bibliothek aller kombinatorisch möglichen Bücher – hier mit bis zu 500 Seiten Umfang – durchgespielt und deren Größe als zwar endlich, doch für das reale Universum viel zu groß erkannt wird; nimmt das Kernmotiv von Jorge Luis Borges’ Bibliothek von Babel vorweg, setzt aber andere Akzente. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Laßwitz, Kurd: „Die Universalbibliothek“ [1904]. In: Nie und Immer, hg. von Kurd Laßwitz, Lüneburg: Dieter von Reeken 2009

Weblinks:

🖙 Text
🖙 Wikipedia zu Laßwitz

Schlagwörter: (Aus-)Faltung, Ästhetik, Bauwerk, Buch, Didaktik, fiktional, geordnet, Gesamtarchiv, Gesamtdiagramm, Gesamtkompendium, geschlossen, Idealpanoramatik, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Organisation, schematisch, Speicher, symbolisch, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, Zugriffspräsentation

1898 – Mundaneum


Brüsseler Museumsgebäude, in dem Paul Otlet und Henri La Fontaine mit ihrem Institut International de Bibliographie (IIB) das Ziel verfolgen, „das gesamte Schrifttum der Welt als Bibliografie in Zettelkästen zu erfassen“. Bis 1930 werden dort 16 Mio. bibliografische Einträge erfasst. Abweichend von der Bibliothek von Alexandria und daran anschließenden Universalbibliothekskonzeptionen zielt diese Form der Allregistratur nicht mehr auf das integrale materiale Vorhandensein der Schriften selbst, sondern – angesichts von deren gegenüber dem antiken Stand unvergleichlich angewachsenen Masse – wie in erster Ableitung nur noch auf deren Verzeichnung. – Johannes Ullmaier

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Bauwerk, Diagramm, Didaktik, Enzyklopädie, faktual, geordnet, Gesamtarchiv, Gesamtdiagramm, Gesamtkompendium, Idealpanoramatik, Konzept/Idee, Medialpanoramatik, offen, Organisation, schematisch, Speicher, symbolisch, Text, textuell, Wissenschaft, Zugriffspräsentation

1897 – Gebrüder Lumière, Panoramaeinstellung in Panorama du casino pris d’un bateau

Die Panoramaeinstellung (auch Panoramaaufnahme, Supertotale) ist die Einstellungsgröße mit dem weitesten Aufnahmewinkel. Oft werden dabei ausgedehnte Landschaften oder Städte gezeigt; Figuren sind kaum oder gar nicht zu erkennen. In die größtmögliche Distanz gesetzt, erhält das Publikum einen räumlichen Überblick und die nötige Orientierung zum Verständnis eines Geschehens. Panoramaeinstellungen, die in den unterschiedlichsten Gattungen und Genres vorkommen, finden sich bereits bei den Gebrüdern Lumière. So besteht Panorama du casino pris d’un bateau (FR 1897) aus einer horizontalen Seitwärtsbewegung (Traveling Shot), die an ein Moving-Panorama erinnert und von einem fahrenden Boot aus gefilmt wird. Am Kanalufer sind vorbeiziehende Häuserfassaden der Stadt Nizza zu sehen sowie in die entgegengesetzte Richtung fahrende Boote. Ein außergewöhnliches Beispiel liefert der Film 13 Lakes (USA 2004, R: J. Benning), der die besagten 13 Seen in 10-minütigen statischen Panoramaeinstellungen aneinanderreiht, kontinuierlich durchzogen von der Horizontlinie, die Wasser und Himmel voneinander trennt. Der minimalistische Film nimmt sich Zeit für unscheinbare, stetige Bewegungen und Texturveränderungen: der Wolken im Himmel oder des Wassers im See. Zeitlichkeit wird erfahrbar gemacht. Durch seine Dauer und Statik verweist das Bild auf das als Leerstelle fungierende unsichtbare Äußere, aus dem das Wasser in den Bildrahmen hinein und hinaus fließt. Somit zeigen die Panoramaaufnahmen in 13 Lakes auf, dass das panoramatische Ideal der Allschau von keiner Panoramaaufnahme erfüllt werden kann. – Johannes Noss

Literatur / Quellen:

  • Panse, Silke: „Ten Skies, 13 Lakes, 15 Pools – Structure, Immanence and Eco-Aesthetics in ‚The Swimmer‘ and James Benning’s Land Films“. In: Screening Nature: Cinema Beyond the Human, hg. von Anat Pick und Guinevere Narraway, New York/Oxford: Berghahn 2013, S. 37–59, S. 37–59
  • Mikos, Lothar: Film und Fernsehanalyse, München: UVK Verlag 2023, S. 234

Weblinks:

🖙 Filmlexikon Kiel: Weite Aufnahme
🖙 YouTube: Panorama du casino pris d’un bateau (1897)

Schlagwörter: Ästhetik, bildvisuell, faktual, Fernblick, fiktional, Film, Gesamtprojektion, Inhaltspanoramatik, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Medientechnik, mimetisch, Moving Panorama, offen, Panoramabild, Unterhaltung, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

ca. 1883 – „Allwissender Erzähler“

Mit der Unterscheidung von „Allgegenwart und Allwissenheit des Dichters“ legt der Schriftsteller Friedrich Spielhagen (Spielhagen, Beiträge zur Theorie und Technik des Romans, S. 236) in seinem theoretischen Werk Beiträge zur Theorie und Technik des Romans eine Begriffsgrundlage für den vor allem im schulischen Gebrauch populären Terminus eines quasi-göttlichen „Allwissenden Erzählers“, der in der akademischen Narratologie ab Mitte des 20. Jahrhunderts – mit unterschiedlichen Akzenten – als „Auktoriale Erzählsituation“ (Stanzel) bzw. „Nullfokalisierung“ (Genette) konzipiert wird. Überall ist damit jedoch der (im praktischen Gebrauch bis in die Antike zurückgehende) Fall eines Erzählmodus markiert, der sich das Recht nimmt, die erzählerisch präsentierte Welt beliebig zu entwerfen, zu perspektivieren und zu modifizieren. Schärfer als gemeinhin üblich wäre dabei zwischen einer – tendenziell expliziten und (quasi-)zugleichspanoramatischen – Darbietung bzw. Behauptung manifester All- und Überschau und einer – tendenziell impliziten und verlaufspanoramatischen – Lizenz zur unlimitierten Bewegung durch ‚alle möglichen‘ lokal wechselnden Seinssphären und Perspektiven zu unterscheiden. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Spielhagen, Friedrich: Beiträge zur Theorie und Technik des Romans, Berlin: L. Staackmann 1883

Weblinks:

🖙 Spielhagen
🖙 Martinez-Artikel Allwissendes Erzählen

Schlagwörter: Allwahrnehmung, Ästhetik, Blicktransparenz, Didaktik, Draufblick, Fernblick, fiktional, Gesamtprojektion, Idealpanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, offen, symbolisch, Text, textuell, Überwachung, unbegrenzte Allheit, Unterhaltung, Utopie/Dystopie, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

1863 – Karl Julius Ploetz, Datenkompendium zur Weltgeschichte

Unter dem Titel Auszug der alten, mittleren und neueren Geschichte als Leitfaden und zu Repetitionen vespricht der Vorläufer der heute als Der Große Ploetz bekannten, 2008 in 35. Auflage erschienenen „Daten-Enzyklopädie der Weltgeschichte“ eine „objektive Zusammenstellung“ der wichtigsten, historischen Ereignisse, chronologisch geordnet und „in übersichtlicher Gruppierung“. – Bernd Klöckener

Literatur / Quellen:

  • Ploetz, Carl: Auszug der alten, mittleren und neueren Geschichte als Leitfaden und zu Repetitionen, Berlin: F. A. Herbig 1863

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Bild, bildvisuell, Buch, Denkmal, Diagramm, Didaktik, faktual, geordnet, Gesamtkompendium, Karte, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Organisation, schematisch, Speicher, symbolisch, Tabelle, Technik, Text, textuell, Universalchronik, Wissenschaft, Zugriffspräsentation

1848 – George Cooke-Lambert, Panorama der Taunus-, Main-Neckar und Badischen Eisenbahn

Kombination aus panoramatisch gestalteter Landkarte, Reiseführer und Kursbuch. Der dreisprachige (dt., engl., frz.) Erläuterungstext bietet eine vollständige Liste der an diesen Bahnlinien gelegenen Orte (mit Gasthöfen und Sehenswürdigkeiten) sowie die Tarife für sämtliche Verbindungen. Frühes Beispiel für das seither in wechselnden Medien stabile Genre des touristischen Reiseüberblicks. – Bernd Klöckener

Weblinks:

🖙 Digitalisat

Schlagwörter: Bild, bildvisuell, Buch, Diagramm, Didaktik, faktual, geordnet, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Karte, Medialpanoramatik, Organisation, schematisch, Speicher, symbolisch, Tabelle, Technik, Text, textuell, Überwachung, Unterhaltung, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

1845–1862 – Alexander von Humboldt, Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung


Schon seit 1796 als „l’Idee d’une physique du monde“ konzipiert, kann Humboldts Traum, „die ganze materielle Welt, alles was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen, wissen, alles in Einem Werke darzustellen“, sich erst Jahrzehnte später in fünf monumentalen Bänden realisieren, deren letzter unvollendet bleibt. Die Programmatik ist gegenüber Gesamt-Welt-Buch-Vorläufern wie Schedels Weltchronik oder Sebastian Münsters Cosmographia charakteristisch alteriert: „Jede große und wichtige Idee, die irgendwo aufgeglimmt, muß neben den Thatsachen hier verzeichnet sein. Es muß eine Epoche der geistigen Entwickelung der Menschheit (in ihrem Wissen von der Natur) darstellen. – Das Ganze ist nicht was man gemeinhin physikalische Erdbeschreibung nennt, es begreift Himmel und Erde, alles Geschaffene.“ – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung [1845–1862], Frankfurt am Main: Eichborn 2004

Weblinks:

🖙 Wikipedia

Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Didaktik, faktual, geordnet, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, geschlossen, Idealpanoramatik, Karte, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, mimetisch, Organisation, panoramatische Diskursform, schematisch, Speicher, symbolisch, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Unterhaltung, Weltatlas, Wissenschaft, Zugriffspräsentation

1845–1848 – Heinrich Berghaus, Physikalischer Atlas


Die Erfolgsgeschichte der sogenannten ‚thematischen‘ Kartographie setzt, von einigen Vorläufern abgesehen, um 1800 ein. Zwar sind genau genommen alle Karten ‚thematisch‘, spätestens wenn sie neben topographischen Merkmalen etwa Staatsgrenzen verzeichnen – doch ist der Ausdruck halbwegs funktional, um das Verfahren zu bezeichnen, das im Alternativtitel des ersten thematischen Atlas, desjenigen von Heinrich Berghaus, prägnant umschrieben wird: Sammlung von Karten, auf denen die hauptsächlichsten Erscheinungen der anorganischen und organischen Natur nach ihrer geographischen Verbreitung und Vertheilung bildlich dargestellt sind. Das Supermedium Atlas, mit seiner Verschaltung der Totalitätsformen Karte und Buch (1570), kann damit nicht mehr ‚nur‘ das Ganze in eine Zusammenschau bringen, sondern auch alles, was dort an verschiedenen Stellen unterschiedlich ist: etwa Tiere, Pflanzen oder Bekleidungsweisen menschlicher Erdbewohner. Heute kommt ja kaum ein Wikipedia-Artikel ohne eine Karte dieses Typs aus, auf der beispielsweise die Geschichte der Durchsetzung des metrischen Systems mit unterschiedlich kolorierten Ländern veranschaulicht wird. Berghaus’ Atlas ist, wie es im Untertitel einer späteren Ausgabe (von 1851) heißt, „unter der fördernden Anregung Alexander’s von Humboldt“ entstanden und sollte ursprünglich zusammen mit dessen Kosmos (1845–1862) erscheinen – ein Vorhaben, das dann bei dessen Neuausgabe (Humboldt, Kosmos) realisiert wurde, der ein Reprint von Berghaus’ Atlas beigegeben ist. – Robert Stockhammer

Literatur / Quellen:

  • Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung [1845–1862], Frankfurt am Main: Eichborn 2004

Weblinks:

🖙 Digitalisat

Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Buch, Didaktik, Draufblick, faktual, Gesamtkompendium, Gesamtprojektion, Karte, Medialpanoramatik, Organisation, schematisch, symbolisch, Technik, Text, textuell, Weltatlas, Weltkarte, Wissenschaft, Zeichnung, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation