ca. -250 – Turmbau zu Babel im Alten Testament

Der biblische Bericht vom Turmbau zu Babel (Gen 11, 1–9) ist eine der bekanntesten Erzählungen des Alten Testaments. Darin beginnt ein Volk aus dem Osten, welches „die eine“ heilige Sprache spricht, in der Ebene des Landes Schinar einen Turm zu bauen, der mit seiner Spitze bis zum Himmel reichen soll, was traditionell als Versuch der Menschheit gedeutet wird, sich Gott gleichzustellen, indem man sich zu dessen himmlischer Überschau-Perspektive hocharbeitet. Gott sabotiert dieses Vorhaben durch die babylonische Sprachverwirrung: Wo zuvor alle Menschen ein gemeinsames Zentrum und eine universale Verständigungsbasis hatten, sind sie nun in alle Welt verstreut und verstehen einander nicht mehr. Realgeschichtlich wird der Turmbau heute am ehesten mit der Zikkurat Etemenanki in Verbindung gebracht. – Caroline Klein

Literatur / Quellen:

  • Wadler, Arnold: Der Turm von Babel [1935], Wiesbaden: Fourier Verlag 1980
  • Katholische Bibelanstalt (Hg.): Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Freiburg im Breisgau: Herder 2016, Gen 11, 1–9
Schlagwörter: Bauwerk, Denkmal, Didaktik, Fernblick, fiktional, Idealpanoramatik, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Mythos/Religion, Organisation, Rundbau, symbolisch, Technik, Text, textuell

ca. -375 – Platon, Höhlengleichnis


Zu Beginn des siebten Buchs von Platons Politeía verheißt Sokrates in einprägsamer Gleichnisform den befreienden philosophischen Erkenntnisweg aus der Schattenwelt bloß scheinhafter Gewissheiten ins helle Sonnenlicht unmittelbar erschauter Wahrheit. Ziel ist der Ausgang aus der sinnlich wahrnehmbaren, mit einer unterirdischen Höhle verglichenen Welt der vergänglichen Dinge in die (über)irdische Höhe der unwandelbaren platonischen Ideen. Der individuell zu begehende, aber fortwährend sozial rückgebundene Pfad dorthin umfasst in Platons exemplarischer Beschreibung mehrere Stationen anfänglicher Überforderung und anschließender Sehstärkung durch die im Aufstieg zunehmende Lichtfülle. Am Ende steht die Schau auf das hell erstrahlende Universum der – qua Gleichnislogik mit höchster sinnlicher Eindrücklichkeit und Wirkmächtigkeit bedachten – geistigen Entitäten. In profanerer Ausprägung erscheint das Verlaufsschema des Höhlengleichnisses in vielen, zumal massenkulturellen Medientechniken als einfache Abfolge von verdunkelter Empfangs-, Eingangs- bzw. Aufstiegsphase unter temporärer sensueller Deprivation hin zur momenthaft-lichtvollen Überwältigung beim Betreten bzw. Beginn der jeweils präsentierten Attraktion. Nur dass hier fast nie die Wirklichkeit, sondern gerade deren Illusion enthüllt wird. – Kira Gass | Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Platon: Politeia. Werke in 8 Bänden, Bd. 4, Darmstadt: WBG 1990, S. 554–569

Weblinks:

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Schlagwörter: Allwahrnehmung, bildvisuell, Didaktik, Gesamtprojektion, Idealpanoramatik, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Mythos/Religion, Rahmenexpansion, symbolisch, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Wissenschaft, Zugleichspräsentation

ca. -600 – Allsicht Gottes (Altes Testament)

Der Psalm 139 handelt von der Allgegenwärtigkeit und Allsicht Gottes. „HERR, du erforschest mich und kennest mich. 2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. 3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. 4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht alles wüsstest. 5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Als Transzendenz-Pol totaler Panoramatik birgt die –– hier egozentrisch pointierte, aber später in jede Richtung ausdifferenzierte – Idee der Allumfänglichkeit göttlicher All-Gegenwart heikle, doch zugleich produktive Paradoxien bzw. Redundanzen: Gott registriert ‚alles‘ sowohl sinnesmodal von außen („siehst alle meine Wege“) wie von innen („verstehst meine Gedanken“), „von ferne“ wie aus nächster Nähe („umgibst […] mich von allen Seiten“). Die hierin angelegte Spannung zwischen tendenziell panoptischen und tendenziell pantheistischen Zuschreibungen entfaltet sich in der weiteren Geschichte der Gottes-Konzeptionen zu faszinierender Vorstellungs- und Meinungsbreite, die sich, wenngleich zunehmend mittelbar, auch in der Mediengeschichte panoramatischer Registratur- und Präsentationsformen niederschlägt. – Lara Schüler | Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Katholische Bibelanstalt (Hg.): Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Freiburg im Breisgau: Herder 2016, Ps 139,1–5
Schlagwörter: Allwahrnehmung, audiovisuell, bildvisuell, Blicktransparenz, Didaktik, faktual, Fernblick, fiktional, Gesamtprojektion, haptisch, Idealpanoramatik, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Mythos/Religion, symbolisch, Text, textuell, Überwachung, unbegrenzte Allheit, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

ca. -600 – Augenübersäter Thronwagen Gottes, Altes Testament

Im Buch Ezechiel (1,15–18) wird der Thronwagen Gottes beschrieben. Er hat vier Räder, die überall Augen haben: „Ich schaute auf die lebenden Wesen und siehe: Neben den lebenden Wesen mit ihren vier Gesichtern war je ein Rad auf dem Boden. 16 Die Räder sahen aus, als seien sie aus Chrysolith gemacht. Alle vier Räder hatten die gleiche Gestalt. Sie waren so gemacht, dass es aussah, als laufe ein Rad mitten im andern. 17 Sie konnten nach allen vier Seiten laufen und brauchten sich nicht umzuwenden, wenn sie gingen. 18 Und ihre Felgen waren hoch und Furcht erregend; ihre Felgen waren voller Augen, ringsum bei allen vier Rädern.“ – Lara Schüler

Literatur / Quellen:

  • Katholische Bibelanstalt (Hg.): Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Freiburg im Breisgau: Herder 2016: Ez 1,15–18
Schlagwörter: Allwahrnehmung, Ästhetik, Draufblick, Fernblick, fiktional, Idealpanoramatik, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Medialpanoramatik, Mythos/Religion, Skulptur, symbolisch, Text, textuell

ca. -650 – Homer, Ilias, Beschreibung des Achill-Schilds

Das Urmuster abendländischer Ekphrasis, die homerische Schilderung des Achill-Schilds im 18. Gesang (V 478–607) der Ilias, offeriert in ihrer mehrschichtigen Anlage als Beschreibung des Vorgangs der Herstellung einer fiktiven Wimmelbild-Metallplastik durch einen handwerkenden Gott nicht nur ein wirkungsreiches Spektrum an sprachlichen Beschreibungs-, Visualisierungs- und Belebungsstrategien, sondern zeigt auch ein markant panoramatisches Gepräge: Gleich zu Beginn schafft Hephaistos in einem weltenschöpferischen Akt auf der Schildfläche „die Erd und das wogende Meer und den Himmel,/ Auch den vollen Mond und die rastlos laufende Sonne;/ Drauf auch alle Gestirne, die rings den Himmel umleuchten.“ (V 483–485, Homer, Ilias, S. 278–279). Gerahmt von diesem kosmisch-tellurischen Setting kennt das Worldbuilding des Schmiede-Gottes fortan keine Grenzen: Er kann zwei Städte, beliebig viele Personen, immer neue Schauplätze, Tänze, Kämpfe, Gesang, Gebrüll, ja ganze Geschichten darstellen. Auf seinem Schild ist Platz für alles. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Boehm, Gottfried/Pfotenhauer, Helmut (Hgg.): Beschreibungskunst, Kunstbeschreibung: Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart, München: Fink 1995
  • Homer: Ilias, München: Goldmann 1980
Schlagwörter: Animation, Ästhetik, Bild, bildvisuell, Ekphrasis, Event/Performance, fiktional, Großtableau, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Medialpanoramatik, Mythos/Religion, Panorama-Diskurs, Panoramabild, panoramatische Erzählung, Rundbild, Skulptur, symbolisch, Technik, Text, textuell, Unterhaltung, Wimmelbild, Zeitensynopse, Zugleichspräsentation

ca. -1345 – Allsehender Sonnengott Re in Echnatons Großem Sonnenhymnus

In seinem Lobpreis entwirft Echnaton – anknüpfend an bis zum Jahr 2700 v. Chr. zurückreichende Konzeptionen des Sonnengottes Ra/Re, dessen rechtes Auge symbolisch und ikonisch früh mit der Sonne assoziiert wird – eine Vorstellung von göttlicher Allschau: „Du hast den fernen Himmel geschaffen, um an ihm aufzugehen, um all dein Geschaffenes zu sehen.“ (Echnaton, Sonnenhymnen, S. 19). Diese Schöpfung durch und für das Auge korrespondiert offenbar auch mit der Erschaffung des kreatürlichen Sehens: „Du hast dich in Bewegung gesetzt/für die Existenz (?) eines jeden Auges. […] Die Augen existieren wegen (deiner) Schönheit.“ (Echnaton, Sonnenhymnen, S. 21). – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Echnaton: Sonnenhymnen. Ägyptisch/Deutsch, Stuttgart: Reclam 2007

Weblinks:

🖙 Wikipedia Echnaton
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Schlagwörter: Allwahrnehmung, Draufblick, Fernblick, Idealpanoramatik, Inhaltspanoramatik, Konzept/Idee, Laufpräsentation, Mythos/Religion, symbolisch, Text, textuell, unbegrenzte Allheit, Zugleichspräsentation, Zugriffspräsentation

ca. -3900 – Himmelsscheibe von Nebra


Älteste bekannte Abbildung des Himmels. – Johannes Ullmaier

Literatur / Quellen:

  • Berger, Klaus/Beinert, Wolfgang/Wetzel, Christoph u. a.: Bilder des Himmels. Die Geschichte des Jenseits von der Bibel bis zur Gegenwart, Freiburg i. B.: Herder 2006, S. 55

Weblinks:

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Schlagwörter: Ästhetik, Bild, bildvisuell, Denkmal, Didaktik, Draufblick, faktual, Gesamtprojektion, Inhaltspanoramatik, Karte, Medialpanoramatik, mimetisch, Mythos/Religion, schematisch, Weltkarte, Wissenschaft, Zugleichspräsentation